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Neues vom Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht hat drei wichtige Urteile mit neuer Rechtsprechung zu den Themen Direktionsrecht, Verlängerung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG und Ausschlussfristen gefällt.

1. Jetzt ist es amtlich! Arbeitnehmer sind nicht mehr verpflichtet, unbilligen Weisungen Folge zu leisten – Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2017, Az: 10 AZR 330/16:

Die alte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Versetzung von Arbeitnehmern hatte für Arbeitgeber viele Vorteile. Denn das Bundesarbeitsgericht hatte ja gesagt, dass Arbeitnehmer einer Weisung, selbst wenn sie unbillig sein sollte, solange nachkommen müssen, bis die Arbeitsgerichte rechtskräftig festgestellt haben, dass die Weisung unbillig ist.

Da es bis zu einem rechtskräftigen Urteil lange dauern konnte, war diese Rechtsprechung für etliche Arbeitnehmer ein Problem und für manch einen Arbeitgeber, der sich ohnehin vom Arbeitnehmer trennen wollte, ein Glücksfall: Stellen Sie sich vor, ein Arbeitnehmer, der bisher in Köln gearbeitet hat, wird angewiesen, fortan in München zu arbeiten. Wenn der Arbeitnehmer aber partout nicht in München leben und arbeiten möchte, wird er wohl kaum solange nach München gehen, bis ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, das ihm Recht gibt. Der Arbeitnehmer wird sich eher in Köln einen neuen Job suchen und das Arbeitsverhältnis selbst beenden.

Wie Sie aus unserer früheren Berichterstattung wissen, gab es infolgedessen zahlreiche Stimmen in Rechtsprechung und Literatur, die diese Rechtsprechung ungerecht fanden und sich dem Bundesarbeitsgericht widersetzten. Zuletzt waren dies die Landesarbeitsgerichte Hamm und Düsseldorf in ihren Urteilen vom 17.03.2016 und vom 06.04.2016.

Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts, der über die Revision gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm entscheiden musste, konnte dessen Argumentation nachvollziehen, und zwar nicht nur moralisch, sondern auch dogmatisch.

Allerdings hatten die Richter des 5. Senats beim Bundesarbeitsgericht noch in 2012 zulas-ten der Arbeitnehmer entschieden, dass diese eine unbillige Weisung bis zur rechtskräftigen Entscheidung befolgen müssen.
Deshalb fragte der 10. Senat beim 5. Senat an, ob der 5. Senat an seiner Rechtsprechung festhält.
Nachdem der 5. Senat auf die Anfrage des 10. Senats mitgeteilt hatte, dass er seine bislang vertretene Auffassung aufgibt, war der Weg frei.

Der 10. Senat entschied daher in seiner gerade veröffentlichten und sehr lesenswerten Entscheidung vom 18.10.2017 (Az: 10 AZR 330/16), dass unbillige Weisungen nicht befolgt werden müssen.

Für die betriebliche Praxis bedeutet das:
Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie die nach § 106 der Gewerbeordnung notwendige Abwägung der wechselseitigen Interessen vornehmen, bevor sie von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen.

2. Neues zum Aufstockungsanspruch nach § 9 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes – Arbeitnehmer, deren Aufstockungsverlangen nicht berücksichtigt wurde, können nur Schadensersatz verlangen! Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2017, Az: 9 AZR 259/16:

Arbeitnehmer in Teilzeit haben unter den in § 9 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) genannten Voraussetzungen Anspruch auf Aufstockung ihrer Arbeitszeit.

Im Unterschied zum Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG besteht der Aufstockungsanspruch allerdings nur, wenn Sie freie Arbeitsplätze mit vergleichbaren Tätigkeiten haben.

Stellen Sie sich jetzt bitte Folgendes vor: Sie haben einen freien Arbeitsplatz mit vergleichbaren Tätigkeiten, auf denen die Teilzeitkraft mit der von ihr gewünschten längeren Arbeitszeit beschäftigt werden könnte.
Trotzdem besetzen Sie den freien Arbeitsplatz nicht mit der Teilzeitkraft, sondern mit ei-nem externen Bewerber.

Wie ist die Rechtslage?

Kann sich die Teilzeitkraft erfolgreich auf die Vollzeitstelle einklagen? Oder hat die Teilzeitkraft nur Anspruch auf Schadensersatz?

Wie das Bundesarbeitsgericht per Urteil vom 18.07.2017 (Az: 9 AZR 259/16) entschied, hat die Teilzeitkraft nur Anspruch auf Schadensersatz. Das Bundesarbeitsgericht begründet das mit einer analogen Anwendung von § 15 Abs. 6 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, der für diskriminierte Bewerber ebenfalls nur einen Anspruch in Geld vorsieht.

Sie können gerichtlich also nicht dazu verurteilt werden, die Teilzeitkraft auf der Vollzeit-stelle zu beschäftigen.
Der Teilzeitkraft bleibt nur eines: Sie muss Sie auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Der Schadensersatz richtet sich dann auf den finanziellen Ausgleich der Nachteile, die der Arbeitnehmer infolge der anderweitigen Besetzung der Stelle in kausal-adäquater Weise erleidet.

3. Neues zur AGG-Ausschlussfrist, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2017, Az: 8 AZR 74/16:

Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) müssen bekanntlich innerhalb einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Das steht in § 15 Abs. 4 AGG.

Seit Inkrafttreten des AGG wird von vielen Arbeitnehmer-Anwälten immer wieder ins Feld geführt, dass diese Ausschlussfrist gegen Europäisches Recht verstoße, weil sie die Durchsetzung der Ansprüche über Gebühr erschwere.

In seiner Entscheidung vom 18.05.2017 (Az: 8 AZR 74/16) hat sich das Bundesarbeitsge-richt ausführlich mit diesem Einwand auseinandergesetzt und ihm mit überzeugender Begründung eine erneute Absage erteilt.

Die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG bleibt folglich wirksam.

In vielen Fällen wird es also dabei bleiben, dass Entschädigungs- und/oder Schadenser-satzansprüche nach § 15 AGG zu spät geltend gemacht worden sind. So war es im Übrigen auch in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung einen Pferdefuß eingebaut. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich auch entschieden, dass § 15 Abs. 4 nicht auf Ansprüche wegen Mobbings, deren Anspruchsgrundlage § 823 BGB ist, angewendet werden kann. Das Bundesarbeitsgericht begründet das damit, dass Mobbing-Ansprüche, die (auch) auf § 823 BGB gestützt werden können, anderen Anspruchsvoraussetzungen unterliegen.

Mobbing-Ansprüche können daher nur verfallen, wenn es tarif- oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen gibt und das Mobbing nicht vorsätzlich geschah.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, melden Sie sich bitte.

Bettina Steinberg       Dr. Mona Geringhoff      Lydia Voß

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