Skip to main content

Können Arbeitsverträge unter aufschiebenden Bedingungen geschlossen werden?

Viele Unternehmen verlangen von neuen Mitarbeitern eine positive medizinische Einstellungsuntersuchung, ein Führungszeugnis oder dergleichen mehr.

Diese Unternehmen stehen bei der Vertragsgestaltung vor folgendem Dilemma: Einerseits ist ihnen die Vorlage von bestimmten Dokumenten so wichtig, dass sie den Arbeitsvertrag gerne unter der Bedingung abschließen möchten, dass z.B. ein positiver Befund einer medizinischen Einstellungsuntersuchung vorgelegt wird. Andererseits soll der Arbeitnehmer seine Arbeit zu einem bestimmten Datum aufnehmen, egal, ob die Unterlage bis dahin schon vorliegt.

Die Bedingung mit ungewissem Eintritt und ein fixer Arbeitsbeginn „beißen“ sich also.

Die meisten Unternehmen lösen diesen Widerspruch dadurch auf, dass sie bestimmte Unterlagen zwar im Arbeitsvertrag einfordern, aber nicht zur Bedingung machen. Werden die Unterlagen nicht vorgelegt, muss das Arbeitsverhältnis gekündigt werden.

In seiner Entscheidung vom 09.06.2017 (AZ: 10 Sa 1554/16) hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden, dass man in solchen Fällen auch mit einer aufschiebenden Bedingung arbeiten kann.

Nach der vom Hessischen Landesarbeitsgericht vertretenen Auffassung wäre es also zulässig, einen Arbeitnehmer ab dem 15.11.2017 einzustellen und den Arbeitsvertrag gleichzeitig unter die Bedingung zu stellen, dass bis zum 30.11.2017 ein ärztliches Attest vorgelegt wird, wonach der Arbeitnehmer für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit geeignet ist.

Die wesentlichen Feststellungen des Hessischen Landesarbeitsgerichts lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Aufschiebende Bedingungen sind grundsätzlich auch in Arbeitsverträgen zulässig.
  • Zwischen Vertragsbeginn und Bedingungseintritt besteht eine Sonderverbindung, die ebenfalls Rechte und Pflichten begründet.
  • Tritt die Bedingung nicht ein, ist nie ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.
  • Tritt die Bedingung ein, ist das Arbeitsverhältnis an und für sich erst mit Bedingungseintritt zustande gekommen. Nach Meinung der Hessischen Richter sind Verträge, bei denen der Arbeitsbeginn vor dem Bedingungseintritt liegt, aber so auszulegen, dass der Eintritt der Bedingung Rückwirkung hat, sprich das Arbeitsverhältnis bereits zu dem vereinbarten Zeitpunkt zustande gekommen ist.

Im entschiedenen Fall kam noch folgende Pikanterie hinzu: Der beklagte Arbeitgeber hatte mit dem Arbeitnehmer nicht nur eine Bedingung, sondern auch einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen. Wie Sie wissen, können Arbeitsverträge aber nur dann ohne Sachgrund befristet werden, wenn es vorher noch kein Arbeitsverhältnis gab.
Und genau eine solche unzulässige „Zuvorbeschäftigung“ hatte der klagende Arbeitnehmer ins Feld geführt. Der Arbeitnehmer hatte sich mit anderen Worten auf den Standpunkt gestellt, dass die sachgrundlose Befristung unwirksam sei, weil er bis zum Eintritt der Bedingung in einem anderen Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber stand.
Auch dieser Auffassung hat das Hessische Landesarbeitsgericht widersprochen. Erstens hätte es kein vorangegangenes Arbeitsverhältnis gegeben. Und zweitens hätte es sich auch um ein einheitliches Arbeitsverhältnis gehandelt, weil das Arbeitsverhältnis nach Eintritt der Bedingung rückwirkend zu dem vereinbarten Termin zustande gekommen wäre.

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie sehr man bei der Vertragsgestaltung aufpassen muss. Mal ehrlich: Wer von Ihnen hätte gedacht, dass man in einem solchen Fall diskutieren muss, ob die Befristung wirksam ist, weil es sich in der Zeit zwischen Vertragsbeginn und Eintritt der Bedingung eventuell um eine unzulässige „Zuvorbeschäftigung“ handeln könnte?

Aufpassen muss man natürlich auch bei der Gestaltung solcher Bedingungen. So hätte der Arbeitgeber dem Hessischen Landesarbeitsgericht Arbeit erspart, wenn er in den Vertrag hinein geschrieben hätte, dass das Arbeitsverhältnis mit Eintritt der Bedingung zum vereinbarten Termin zustande kommt.

Es ist also mal wieder alles gar nicht so leicht. Und endgültige Gewissheit kann auch hier nur das Bundesarbeitsgericht schaffen. Die vom Hessischen Landesarbeitsgericht aufgrund der vielen spannenden Rechtsfragen zugelassene Revision wurde bereits eingelegt.

Ebenfalls nicht leicht zu beantworten ist im Übrigen auch die Frage, ob die Bedingung, die Sie sich ausgesucht haben, überhaupt zulässig ist.

Im entschiedenen Fall wurde als Bedingung die Vorlage eines Führungszeugnisses vereinbart. Im entschiedenen Fall war das auch möglich, da es sich um ein Arbeitsverhältnis auf einem Flughafen handelte, bei dem eine Sicherheitsüberprüfung gesetzlich vorgeschrieben war.

In einem weniger sicherheitsrelevanten Bereich ist die Vereinbarung der Vorlage von Führungszeugnissen dagegen ein Problem. Ein Arbeitgeber hat nur dann einen Anspruch auf Vorlage eines Führungszeugnisses, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist.
Dies betrifft (neben dem Flughafenpersonal) zum Beispiel Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Einrichtungen der Altenpflege oder Arbeitgeber im Sicherheitsgewerbe, die sich bei der Einstellung und in regelmäßigen Abständen danach von den betroffenen Personen ein Führungszeugnis vorlegen lassen können bzw. müssen.
Besteht eine derartige Rechtsgrundlage jedoch nicht, ist das Verlangen des Arbeitgebers nach Vorlage eines Führungszeugnisses grundsätzlich rechtswidrig.
Dies hängt damit zusammen, dass ein Führungszeugnis nie auf arbeitsplatzbezogene Vorstrafen beschränkt ist, sondern sich aus ihm auch Hinweise auf Verurteilungen ergeben können, die der Arbeitnehmer auf eine entsprechende Frage des Arbeitgebers nicht hätte angeben müssen.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, melden Sie sich bitte.

Bettina Steinberg      Dr. Mona Geringhoff     Lydia Voß

  • Erstellt am .