Skip to main content

Das Bundesarbeitsgericht schafft endlich Klarheit im Befristungsrecht

Am 26.10.2016 hat das Bundesarbeitsgericht zwei Urteile gefällt, die in einigen wichtigen Fragen des Befristungsrechts endlich Klarheit schaffen.

 

1. Wieviele Befristungen mit sachlichem Grund dürfen Sie machen, bevor das Arbeitsgericht eine Missbrauchskontrolle durchführen muss? (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2016, Az.: 7 AZR 135/15)

Personalreserven halten heutzutage die wenigsten Unternehmen vor. Ausfälle durch Krankheit, Elternzeit etc. werden vielmehr durch den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Ersatzkräften überbrückt. Je nachdem, wie lange der Ausfall der Stammkraft dauert, können da manchmal schon etliche Jahre und etliche Befristungen zusammenkommen.

Da Sie in diesen Fällen einen sachlichen Grund für die Befristung haben (nämlich die Vertretung der Stammkraft) ist eine jahrelange Befristung mit etlichen Befristungsverlängerungen grundsätzlich kein Problem. Grundsätzlich kein Problem ist es auch, wenn Sie einen eingearbeiteten Vertreter über Jahre hinweg mit Unterbrechungen immer mal wieder befristet einsetzen.

Wie viele von Ihnen wissen, hat das Bundesarbeitsgericht in den letzten Jahren für solche Fälle allerdings eine Missbrauchskontrolle eingeführt.

Das Problem der Missbrauchskontrolle war: Das Bundesarbeitsgericht blieb schwammig, wenn es um die Frage ging, ab wie viel Befristungsjahren oder wie viele Befristungsverlängerungen eine Missbrauchskontrolle durchgeführt werden muss.

Das hat sich jetzt erfreulicherweise geändert!

Das Bundesarbeitsgericht hat endlich feste Leitplanken für die Missbrauchskontrolle aufgestellt.

Ausgangspunkt der Leitplanken ist die in § 14 Abs. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes geregelte Befristung ohne sachlichen Grund. Ohne sachlichen Grund können Sie bekanntlich befristen, wenn die Befristung maximal 2 Jahre dauert und der Ursprungsvertrag maximal dreimal verlängert wird.

Daraus leitet das Bundesarbeitsgericht ab, dass auch Befristungen mit sachlichem Grund immer dann völlig unkritisch sind, wenn sie sich in diesem Bereich (maximal 2 Jahre und maximal drei Verlängerungen) bewegen.

Bei der Frage, ab welcher Überschreitung dieser beiden Richtwerte eine Missbrauchskontrolle durchgeführt werden muss oder gar der Anschein für Missbrauch besteht, hat das Bundesarbeitsgericht am 26.10.2016 folgende Leitplanken aufgestellt:

a) Eine Missbrauchskontrolle muss in der Regel durchgeführt werden, wenn

  • die Dauer der Befristung mehr als 8 Jahre beträgt oder
  • mehr als 12 Verlängerungen des Ausgangsvertrages vereinbart wurden oder
  • die Befristungsdauer mehr als 6 Jahre beträgt und mehr als 9 Verlängerungen des Ursprungsvertrages vereinbart worden sind.

Wenn eine dieser 3 Alternativen erfüllt ist, führen die Gerichte ab sofort also in der Regel eine Missbrauchskontrolle durch.

b) Zulasten des Arbeitgebers wird ein Missbrauch sogar vermutet, wenn

  • die Dauer der Befristung mehr als 10 Jahre beträgt oder
  • mehr als 15 Verlängerungen des Ausgangsvertrages vereinbart wurden oder
  • die Dauer der Befristung mehr als 8 Jahre beträgt und mehr als 12 Verlängerungen des Ausgangsvertrages vereinbart wurden.

Ist eine dieser Alternativen erfüllt, müssen Sie die Vermutung, dass Sie das Befristungsrecht missbrauchen, also mühevoll entkräften.

Was folgt daraus?

Am besten bleiben Sie in solchen Fällen schon unter den in a) genannten kritischen Werten.

Und wenn Sie die kritischen Werte überschreiten wollen, wissen Sie spätestens jetzt, dass Sie dafür gute Gründe haben müssen; die Gründe sollten Sie auch immer schön dokumentieren, damit Sie dem Arbeitsgericht auch noch Jahre später Rede und Antwort stehen können.

2. Welche zeitlichen Grenzen für die Befristung ohne sachlichen Grund sind in Tarifverträgen erlaubt? (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2016, Az.: 7 AZR 140/15)

Bei der Befristung ohne sachlichen Grund nach § 14 Abs. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, die der Kandidat der SPD Martin Schulz gerne abschaffen möchte, brauchen Sie sich anders als in den zuvor genannten Fällen keinen Kopf zu machen. Denn Sie brauchen für die Befristung keinen sachlichen Grund.

Das Problem dieser Befristungsvariante ist aber, dass sie nicht so lange geht, wie die Befristung mit sachlichem Grund. Nach 2 Jahren und maximal 3 Befristungsverlängerungen ist Schluss.

Deshalb können sich all die Unternehmen freuen, die Tarifverträge anwenden, in denen längere Befristungen ohne sachlichen Grund möglich sind.

§ 14 Abs. 2 Satz 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes sagt nämlich:

"Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden."

Wie das Bundesarbeitsgericht schon vor einigen Jahren entschied, ist das "oder" sogar ein "und". Tarifverträge dürfen daher sowohl die Höchstdauer (= 2 Jahre) als auch die Anzahl der Befristungsverlängerungen (= 3) überschreiten.

Klar war aber auch hier schon länger, dass Tarifverträge diese Öffnungsklauseln nicht unbegrenzt ausnutzen dürfen.

Und wieder stellt sich die Frage: Was dürfen Tarifverträge denn?

Hierauf hat das Bundesarbeitsgericht jetzt ebenfalls eine verlässliche Antwort gegeben, und die geht so: Tarifverträge dürfen regeln, dass Arbeitsverträge bis zu maximal 6 Jahren und innerhalb dieser 6 Jahre bis zu neunmal verlängert werden dürfen.

Sonst ist die tarifliche Regelung unwirksam.

Wenn Sie in den Anwendungsbereich eines solchen Tarifvertrages fallen, sollten Sie also überprüfen, ob der Tarifvertrag diese Richtwerte einhält. Wenn nicht, ist die tarifliche Regelung unwirksam. Ob Sie dann trotzdem bis zu den jetzt entschiedenen Grenzen befristen dürfen oder ob Sie auf die 2 Jahre inklusive der bis zu dreimaliger Verlängerung zurückfallen, hat das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden. Da es sich um einen Tarifvertrag (und keinen Arbeitsvertrag) handelt, spricht aber viel dafür, dass Sie nicht auf das Gesetz zurückfallen, sondern die 6 Jahre mit bis zu 9 Verlängerungen machen dürfen.

Wenn Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, melden Sie sich bitte.

Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

 

 

 

 

 

 

 

  • Erstellt am .