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Vorsicht bei der Beauftragung von Detektiven

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in seinem kürzlich veröffentlichen Urteil vom 20.07.2016 (Az.: 4 Sa 61/15) über die Voraussetzungen der Zulässigkeit von Beweismitteln, die durch Privatdetektive gewonnen wurden, entschieden.

Stellen Sie sich folgenden Fall vor:

Ein Arbeitnehmer ist seit längerem erkrankt und die 6-wöchige Entgeltfortzahlungsfrist ist bereits abgelaufen. Nun wird Ihnen eine E-Mail zugespielt, durch die der Verdacht entsteht, dass der Arbeitnehmer während seiner angeblichen Arbeitsunfähigkeit im Konkurrenzunternehmen seiner Söhne tätig ist. Außerdem wurde mehrmals das Privatfahrzeug des Arbeitnehmers während der Arbeitsunfähigkeit auf dem Firmengelände seiner Söhne gesichtet. Sie schalten einen Privatdetektiv ein, der den Arbeitnehmer tatsächlich überführt. Es folgt die Kündigung und Sie legen später dem Gericht die gewonnenen Beweismittel vor.

Und nun die Frage:

Darf das Gericht die Beweismittel, die Sie durch den Detektiveinsatz erlangt haben, im Kündigungsschutzprozess verwenden?

Wir wetten, dass 90 % von Ihnen diese Frage mit „Ja“ beantworten würden.

Das Landesarbeitsgericht sagt in seinem Urteil aber „Nein“. Und zwar aus folgendem Grund:

Für eine konkrete und zielgerichtete Datenerhebung durch einen Detektiv müssen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG erfüllt sein. Danach müssen konkrete Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Arbeitnehmer eine Straftat zu Lasten des Arbeitgebers begangen hat.

Im vorliegenden Fall gab es bei Einschaltung des Detektivs zwei Anknüpfungsmöglichkeiten für eine Straftat:

  1. Zum einen kann der Verdacht des Erschleichens von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in Betracht. Damit läge grundsätzlich eine Straftat, nämlich ein Entgeltfortzahlungsbetrug zu Lasten des Arbeitgebers vor. Jedoch nur in dem Zeitraum, in dem auch Entgelt gezahlt wurde. Als der Detektiv eingesetzt wurde, bezog der Arbeitnehmer aber schon lange Krankengeld, sodass ein Betrug zu Lasten des Arbeitgebers deshalb ausschied.
  1. Zum anderen steht der Verdacht einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit und somit einer Verletzung des Wettbewerbsverbots im Raum. Das LAG Baden-Württemberg entschied, dass dies zwar grob vertragswidrig sei, im Regelfall aber – wenn nicht zugleich z. B. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verraten werden – nicht strafbar wäre. Der klare Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG fordere eine Straftat; dem sei eine schwere Vertragsverletzung nicht gleichzustellen.

Die Konsequenzen, die daraus folgen, sind hart:

Wenn Sie einen Detektiv einsetzen, um den Arbeitnehmer einer Pflichtverletzung zu überführen, die keine Straftat ist, dürfen die vom Detektiv erlangten Beweismittel nach der vom LAG Baden-Württemberg vertretenen Auffassung nicht verwertet werden.

Sie dürfen sich in einem solchen Fall also nicht nur schwarz ärgern (zumal wenn der Detektiv tatsächlich Beweise gegen den Arbeitnehmer sammeln konnte), sondern Sie bleiben auch noch auf den mitunter hohen Kosten für den Detektiv sitzen.

Für diese bittere Erkenntnis gibt es nur einen Trost: Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, ob der Einsatz von Detektiven auch bei Pflichtverletzungen möglich ist, die keine Straftat sind, gibt es noch nicht. Aus diesem Grund hat das LAG Baden-Württemberg auch die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Bis zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sollten Sie sich gut überlegen, ob Sie Detektive einsetzen, wenn es „nur“ um grobe Pflichtverletzungen geht, für die es keinen Straftatbestand gibt.

Der Einsatz von Detektiven will auch deshalb gut überlegt sein, weil eine unzulässige Datenerhebung gleichzeitig ein Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ist und somit das Risiko von Schmerzensgeldzahlungen besteht.

Wenn Sie Pech haben, müssen Sie also nicht nur den Detektiv bezahlen und sich über die von ihm erlangten Beweismittel ärgern, sondern dem überführten Arbeitnehmer auch noch Schmerzensgeld zahlen!

Unabhängig von der Frage, ob der Verdacht nur eine Pflichtverletzung oder eine Straftat betrifft, sollten Sie vor dem Einsatz von Detektiven außerdem Folgendes beachten:

Die Einschaltung eines Detektivs ist aus datenschutzrechtlichen Gründen erst zulässig, wenn Sie schon einen dringenden Tatverdacht haben, den Sie durch entsprechende Fakten stützen können.

Ohne einen dringenden Tatverdacht ist die Einschaltung eines Detektivs ebenfalls unzulässig.

Daraus folgt weiter: Wenn der Einsatz des Detektivs dazu dienen soll, überhaupt erst Verdachtsmomente / Beweise gegen den Arbeitnehmer zu sammeln, war wieder alles vergebens. Es gilt das Gleiche wie zuvor, Sie dürfen sich ärgern und bezahlen.

Unser Fazit:

Überlegen Sie sich gut und in jedem Einzelfall, ob Sie einen Detektiv einschalten dürfen. Alles andere könnte ein teurer und obendrein sehr ärgerlicher „Spaß“ werden.

 

Bettina Steinberg                    Dr. Mona Geringhoff                 Lydia Voß

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