Skip to main content

Am Puls der (Arbeits-) Zeit / Gesetzesentwurf zur Arbeitszeiterfassung

Wie Sie den Nachrichten vielleicht schon entnommen haben, gibt es einen Gesetzesentwurf des Arbeitsministeriums zur Erfassung de Arbeitszeit, der allerdings noch in der Koalition verabschiedet werden muss.

Den Gesetzesentwurf stellen wir Ihnen auf unserer Webseite zur Verfügung (hier).

Danach soll die Aufzeichnungspflicht durch eine Ergänzung von § 16 des Arbeitszeitgesetzes umgesetzt werden, und zwar mit folgenden Inhalten:

  • Arbeitgeber sind ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Beschäftigten jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen.
  • Vorgaben für die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Manipulationssicherheit enthält der Entwurf nicht.
  • Die Aufzeichnung kann (auch) durch die Beschäftigten selbst oder einen Dritten erfolgen. Der Arbeitgeber kann die Aufzeichnungspflicht also delegieren. Nach dem Entwurf bleibt der Arbeitgeber aber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich.
    Laut der Gesetzesbegründung sind Arbeitgeber, die die Aufzeichnungspflicht an ihre Beschäftigten delegieren, gut beraten, diese zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnungen anzuleiten und die Aufzeichnungen mindestens durch Stichproben regelmäßig zu kontrollieren.
    Stellt die Arbeitsschutzbehörde einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes fest, soll es laut Gesetzesbegründung nämlich darauf ankommen, ob der Arbeitgeber die Beschäftigten ordnungsgemäß angeleitet und die Aufzeichnungen durch Stichproben regelmäßig kontrolliert hat.
  • Arbeitgeber, die die Aufzeichnungspflicht an Beschäftigte delegieren und auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten, haben durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass ihnen Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bekannt werden.
    Diese Regelung, die Sie in § 16 4 des Entwurfs finden, spricht die sogenannte Vertrauensarbeitszeit an und bedeutet: 
    Auch bei einer Vertrauensarbeitszeit, bei der Beschäftigte Beginn und Ende der Arbeitszeit selbst bestimmen können und die Arbeitgeber vertrauensvoll auf eine Kontrolle verzichten, müssen die Arbeitszeiten ordnungsgemäß aufgezeichnet werden. Außerdem müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass es nicht zu Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz kommt. Laut Gesetzesbegründung kann dies z.B. durch eine entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems geschehen. Gemeint sind also Erfassungssysteme, die automatisch „anschlagen“, wenn beispielsweise die tägliche Höchstarbeitszeit überschritten oder die Ruhe- und / oder Pausenzeiten nicht eingehalten werden.
  • Durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, dass
    die Aufzeichnung nicht in elektronischer Form (sondern beispielsweise in Papierform) erfolgt, 
    die Aufzeichnung nicht taggleich, sondern innerhalb von sieben Tagen erfolgt und/oder
    die Aufzeichnungspflicht nicht für Beschäftigte gilt, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird bzw. von den Beschäftigten selbst festgelegt werden kann.
    Ausnahmen sind also nur durch Tarifvertrag oder durch eine in einem Tarifvertrag zugelassene Betriebs- oder Dienstvereinbarung zulässig.

    Aber was ist mit nicht tarifgebundenen Arbeitgebern? Können nicht tarifgebundene Arbeitgeber wenigstens durch vertragliche Vereinbarung eines solchen Tarifvertrage in den Genuss von Ausnahmeregelungen kommen?
    Diese Frage wird man im Moment wohl mit Nein beantworten müssen. 
    Denn an anderer Stelle des Arbeitszeitgesetzes, genauer gesagt in § 7 Abs. 3, hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung gefunden, die es im Geltungsbereich eines Tarifvertrags auch nicht tarifgebundenen Arbeitgeber erlaubt, tarifliche Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz durch schriftliche Vereinbarungen zu übernehmen. Wenn das Arbeitsministerium diese Möglichkeit in Zusammenhang mit der Auszeichnungspflicht nicht nennt, heißt das wohl, dass es sie dort auch nicht geben soll.
    Ob diese Regelung, mit der das Arbeitsministerium vermutlich die Tarifbindung stärken und der Tarifflucht entgegenwirken möchte, Bestand haben wird, wird man sehen. Da der Referentenentwurf noch nicht final abgestimmt ist, sind Änderungen nicht unwahrscheinlich.
  • Die Arbeitszeitnachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
  • Außerdem haben Arbeitgeber die Beschäftigten auf deren Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren und ihnen eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen.Damit soll Beschäftigten die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit der geleisteten Arbeitszeit erleichtert werden.
    Auf die Darlegungs- und Beweislast bei Überstunden wird sich das nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber wohl nicht auswirken; zumindest dann nicht, wenn die Aufzeichnung nicht vom Arbeitgeber, sondern von den Beschäftigten selbst erledigt wird. Insoweit möchten wir auf unseren Newsletter vom 04.05.2022
  • Die elektrinonische Aufzeichnungspflicht soll je nach Unternehmensgröße mit gestaffelten Fristen in Kraft treten.
    Für Arbeitgeber mit mind. 250 Arbeitnehmern: nach einem Jahr
    Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmern: nach zwei Jahren
    Für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern: nach fünf Jahren
    Die Pflicht zur nichtelektronischen Erfassung gilt aber – wie bereits gesagt – ab dem Tag des Inkrafttretens. 
  • Kleinbetriebe mit bis zu zehn Beschäftigten müssen nach fünf Jahren (entgegen ersten Verlautbarungen) doch aufzeichnen, allerdings nicht unbedingt elektronisch. Gleiches gilt für Beschäftigte in Privathaushalten.
  • Die in § 18 des Arbeitszeitgesetzes geregelte Ausnahme für leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes wird in dem Referentenentwurf nicht tangiert. Solche leitenden Angestellten sind demnach von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen; auch wenn das BAG in seiner Entscheidung vom 19.09.2022 gewissen Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Ausnahmeregelung angedeutet hat.
  • Die Bußgeldvorschriften in § 20 des Arbeitszeitgesetzes sollen um mehrere Fallgruppen erweitert werden:
    Die Aufzeichnungspflicht wird nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise erfüllt,
    der Aufbewahrungspflicht wird nicht Genüge getan,
    Beschäftigte werden nicht auf deren Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit informiert oder ihnen wird hiervon keine Kopie zur Verfügung gestellt.

  • Wie Sie dem Entwurf entnehmen können, sind darüber hinaus Änderungen für Beschäftigte im Straßentransport, Jugendliche und von der Offshore- bzw. Binnenschifffahrtsarbeitszeitverordnung erfassten Beschäftigen geplant.

Soweit unsere erste Bewertung des Entwurfs.

Nach den zuletzt gemachten Erfahrungen wird der Entwurf sicher noch die eine oder andere Diskussion innerhalb der Koalition auslösen….

Wir bleiben für Sie am Ball.

  • Erstellt am .