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Vorsicht Falle: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Geschäftsführer:innen

Viele Unternehmen möchten wichtige Mitarbeiter:innen gerne auch über das Ende des Vertrages hinaus vom Wettbewerb fernhalten. Im Fachjargon nennt man das, was mit solchen Beschäftigten vereinbart werden soll, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot.
 
Nun sind die Fallkonstellationen, in denen ausgeschiedene Beschäftigte unliebsame Konkurrenz machen können, vielschichtig. Deshalb sind die meisten nachvertraglichen Wettbewerbsverbote sehr weit gefasst, um jegliche Konkurrenzsituation zu erfassen und die bewusste Umgehung des Verbotes zu erschweren.
 
Wird eine solche Vereinbarung mit einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer abgeschlossen, ist das nicht so problematisch. Denn in diesen Fällen gelten die §§ 74 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB). 
Und in § 74 a Abs. 1 HGB ist, platt gesprochen, Folgendes geregelt: Nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die zu weit gehen, sind nicht unwirksam. Vielmehr werden sie sozusagen automatisch auf das zulässige Maß reduziert. Wir Juristinnen nennen das die sogenannte geltungserhaltene Reduktion.
 
Die in § 74 a Abs. 1 HGB gesetzlich vorgesehene geltungserhaltene Reduktion ist vertragsrechtlich gesehen phänomenal. Denn in vom Arbeitgeber vorformulierten Verträgen (und auch nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind i.d.R. vom Arbeitgeber vorformuliert), ist eine geltungserhaltene Reduktion normalerweise verboten, was die Vertragsgestaltung besonders kompliziert macht. § 74 a Abs. 1 HGB ist also eine gesetzliche Ausnahme von dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, die die Vertragsgestaltung erheblich vereinfacht.

Darüber hinaus regeln § 74 ff HGB noch alle möglichen weiteren Dinge, die beim nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmer:innen zu beachten sind, bis hin zu der sogenannten Karenzentschädigung, also dem Betrag, den Arbeitgeber für solche nachvertraglichen Wettbewerbsverbote an die Beschäftigen bezahlen müssen.
 
Aber was gilt für Geschäftsführer:innen?

Für Geschäftsführer:innen gelten die §§ 74 ff. HGB grundsätzlich nicht.
 
Infolgedessen hat das Oberlandesgericht München schon am 02.08.2018 (Az: 7 U 2107/18) in einem Beschluss darauf hingewiesen, dass eine geltungserhaltende Reduktion bei Geschäftsführer:innen – nach Auffassung des OLG München – nicht in Betracht kommt. Ist das mit Geschäftsführer:innen vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot inhaltlich zu weit gefasst, ist es folglich null und nichtig, so die Münchener Richter.
 
In dem vom Oberlandesgericht München entschiedenen Fall war es allerdings so, dass es sich a) um eine vom Unternehmen vorformulierte Vereinbarung handelte und b) eine entsprechende Anwendbarkeit der §§ 74 ff HGB nicht vereinbart worden war.
 
Damit stellt sich die Frage, wie über ein zu weitgehendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot von Geschäftsführer:innen zu entscheiden ist, wenn es sich um eine individuelle, also zwischen den Parteien ausgehandelte, Vereinbarung handelt und/oder die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB ausdrücklich vereinbart wurde.
 
Durch Urteil vom 09.02.2023 (Az: 22 O 279/22) hat das Landgericht Köln beide Fragen zulasten der Unternehmen und zugunsten der Geschäftsführer:innen entschieden. 
Das Landgericht Köln hat seine Entscheidung kurz gesagt damit begründet, dass  inhaltlich zu weitgehende nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführern gegen § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verstoßen und § 138 BGB keine geltungserhaltende Reduktion zulässt; vollkommen egal, ob die Anwendung des § 74 a HGB zwischen den Parteien vereinbart wurde oder nicht.
 
Wir halten das Urteil für falsch, nicht zuletzt deshalb, weil es keinen vernünftigen Grund dafür gibt, Geschäftsführer:innen besser zu behandeln als Arbeitnehmer:innen, zumal diese grundsätzlich weniger schutzbedürftig sind.
 
Ob das Oberlandesgericht Köln dies genauso sieht, wird sich bald zeigen.
 
Am Ende des Tages wird allerdings nur der Bundesgerichtshof grundsätzliche Klarheit schaffen können. Und solange der Bundesgerichtshof das nicht tut, möchten wir Unternehmen gerne folgenden Rat geben:
 
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführer:innen sollten immer auf den Einzelfall bezogen und mit Rücksicht auf die konkreten Interessen des Unternehmens zugeschnitten werden. Hiervon betroffen sind insbesondere (aber nicht nur):

  • die verbotenen Tätigkeiten 
    (so sind insbesondere Formulierungen, die sich auf jedwede oder sonstige Tätigkeiten für Wettbewerbsunternehmen beziehen, extrem problematisch);
  • die Erstreckung des Wettbewerbsverbots auf andere Konzernunternehmen
    (hier sollte im Einzelfall geschaut werden, inwieweit Geschäftsführer auch für andere Konzernunternehmen tätig sind und dabei Einblick in deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse haben) und
  • der räumliche Geltungsbereich.

Unternehmen, die bereits nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Geschäftsführer:innen abgeschlossen haben, ist zu raten, alle nachvertraglichen Wettbewerbsverbote auf den Prüfstand zu stellen.

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