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BAG aktuell: Unterschiedlich hohe tarifliche Zuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit können doch zulässig sein!

Am 22.02. hat das Bundesarbeitsgericht eine weitere wichtige Entscheidung zum Thema Gleichbehandlung gefällt.
Dieses Mal ging es um die seit Längerem streitige Frage, ob Tarifverträge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit unterschiedlich hohe Nachtzuschläge vorsehen dürfen.
Die Frage ist überaus praxisrelevant. Denn in vielen Fällen bekommen Beschäftigte für unregelmäßige Nachtarbeit höhere Zuschläge als für regelmäßige Nachtarbeit.
 
Aber ist diese Unterscheidung auch mit dem Gleichheitssatz von Artikel 3 unseres Grundgesetzes vereinbar?

Hierüber wurde seit einiger Zeit kontrovers diskutiert.
 
Um dem Streit ein Ende zu bereiten, hatte das Bundesarbeitsgericht die Frage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergereicht. Das Bundesarbeitsgericht wollte vom EuGH wissen, ob die Differenzierung gegebenenfalls gegen europäisches Recht, genauer gesagt den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 20 GRCh (Charta der Grundrechte der Europäischen Union), verstößt.
 
Eine Antwort bekam das Bundesarbeitsgericht vom Europäischen Gerichtshof aber nicht. Stattdessen spielte der EuGH den Ball zurück nach Deutschland und begründete das kurz gesagt damit, dass die Vergütung von Nachtarbeit Unionsrecht nicht berühre.
 
Deshalb musste das Bundesarbeitsgericht die Frage selbst entscheiden und hat das am 22.02.2023 (Az.: 10 AZR 332/20) laut Pressemitteilung mit folgendem Ergebnis getan:
 
Ungleiche Nachtzuschläge für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit sind jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn die Tarifpartner hierdurch über den Gesundheitsschutz hinausgehende Nachteile ausgleichen möchten, wie insbesondere die schlechtere Planbarkeit unregelmäßiger Nachteinsätze für die Beschäftigten.
 
Wörtlich heißt es insoweit in der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts:
 
Die Regelung im MTV zu unterschiedlich hohen Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Arbeitnehmer, die regelmäßige bzw. unregelmäßige Nachtarbeit im Tarifsinn leisten, sind zwar miteinander vergleichbar. Auch werden sie ungleich behandelt, indem für unregelmäßige Nachtarbeit ein höherer Zuschlag gezahlt wird als für regelmäßige Nachtarbeit. Für diese Ungleichbehandlung ist vorliegend aber ein aus dem Tarifvertrag erkennbarer sachlicher Grund gegeben. Der MTV beinhaltet zunächst einen angemessenen Ausgleich für die gesundheitlichen Belastungen sowohl durch regelmäßige als auch durch unregelmäßige Nachtarbeit und hat damit Vorrang vor dem gesetzlichen Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Daneben bezweckt der MTV aber auch, Belastungen für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, wegen der schlechteren Planbarkeit dieser Art der Arbeitseinsätze auszugleichen. Den Tarifvertragsparteien ist es im Rahmen der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie nicht verwehrt, mit einem Nachtarbeitszuschlag neben dem Schutz der Gesundheit weitere Zwecke zu verfolgen. Dieser weitere Zweck ergibt sich aus dem Inhalt der Bestimmungen des MTV. Eine Angemessenheitsprüfung im Hinblick auf die Höhe der Differenz der Zuschläge erfolgt nicht. Es liegt im Ermessen der Tarifvertragsparteien, wie sie den Aspekt der schlechteren Planbarkeit für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, finanziell bewerten und ausgleichen.
 
Entscheidend wird also sein, ob sich aus dem Tarifvertrag ein über den Gesundheitsschutz hinausgehender erkennbarer sachlicher Grund für die unterschiedlich hohen Zuschläge ergibt.
 
Sollten sich aus dem Volltext weitere Erkenntnisse ergeben, werden wir Ihnen berichten.

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