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Teil 2 unserer Reihe: Wie sich oberflächliche Formulierungen bei Trennungen rächen können

In unserem Newsletter vom 14.07.2022 hatten wir Ihnen erklärt, warum sich oberflächlich formulierte Trennungsvergleiche böse rächen können. Konkret wurde die Arbeitgeberin in der damaligen Entscheidung zur Zahlung von Verzugszinsen verdonnert, nur weil sie bei der im Vergleich vereinbarten Nachzahlung von Gehältern nicht aufgepasst hatte.
 
Ähnlich blöd kann es auch bei unwiderruflichen Freistellungen laufen, die oft schon mit der Kündigung ausgesprochen werden.

Dazu zwei aktuell entschiedene Fälle:

Erster Fall, entschieden vom Arbeitsgericht Nordhausen per Urteil vom 06.04.2022 (Az.: 2 Ca 768/21):
 
Die Arbeitgeberin hatte eine ordentliche Kündigung ausgesprochen und die Arbeitnehmerin schon im Kündigungsschreiben unwiderruflich freigestellt.
Allerdings hatte die Arbeitgeberin sich bei der Berechnung der Kündigungsfrist „verspult“. Sie hatte nämlich mit einer Frist von einem Monat zu Monatsende ordentlich gekündigt. Tatsächlich hatte die Arbeitnehmerin aber eine Kündigunsfrist von drei Monaten zu Monatsende.
 
Nachdem die Arbeitnehmerin die Kündigungsfrist moniert hatte, wollte die Arbeitgeberin von ihrer unwiderruflichen Freistellung nichts mehr wissen. Denn eigentlich wollte sie die Arbeitnehmerin ja nur bis zum Ablauf der von ihm berechneten Kündigungsfrist, dem 31.08., nicht aber bis zum 31.10. unwiderruflich freistellen. „Pech gehabt, Arbeitgeberin“, entschied das Arbeitsgericht Nordhausen zu Recht.
 
Denn:
Wenn eine unwiderrufliche Freistellung mit einer Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist kombiniert wird, gilt die unwiderrufliche Freistellung im Zweifel bis zum Ablauf der richtigen ordentlichen Kündigungsfrist.
 

Nachträglich ändern können Sie diese Rechtsfolge nur, wenn Sie mit den Beschäftigten eine Aufhebung der unwiderruflichen Freistellung vereinbaren. Die unwiderrufliche Freistellung ist nämlich ein Angebot des Arbeitgebers auf Abschluss eines Erlassvertrages, den die Beschäftigten auch konkludent annehmen können.
 
Was lernen wir daraus?

  • Personalverantwortliche sollten sich nach Möglichkeit nicht bei der Berechnung der Kündigungsfrist vertun.

  • Da sich der Ablauf von Kündigungsfristen auch bei richtiger Berechnung verschieben kann (nämlich dann, wenn der Zugang der Kündigung verspätet erfolgt), sollten sie sich außerdem Folgendes gut überlegen:

    - Sollen die Beschäftigen tatsächlich schon mit Ausspruch der Kündigung freigestellt werden, und dann noch unwiderruflich? Oder sollte man sich die unwiderrufliche Freistellung nicht besser als Verhandlungsmasse aufheben und die Beschäftigten entweder erstmal gar nicht oder nur widerruflich freistellen?

    - Wenn eine unwiderrufliche Freistellung schon mit der Kündigung erfolgen soll:
    Soll die unwiderrufliche Freistellung für die gesamte Kündigungsfrist erfolgen, auch wenn sich der ins Auge gefasste Kündigungsendtermin nicht halten lässt? Oder soll die unwiderrufliche Freistellung erstmal nur bis zu einem bestimmten Termin ausgesprochen werden? Dann sollte aus dem Kündigungsschreiben deutlich hervorgehen, dass die Freistellung an den Termin und nicht an den Ablauf der maßgeblichen ordentlichen Kündigungsfrist gekoppelt ist.

Zweiter Fall, entschieden vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 03.03.2022 (Az.: 5 Sa 209/21):
 
Ein Fall aus dem täglichen Leben von Personalverantwortlichen, der so passierte, weil manch ein Arbeitnehmeranwalt nur eines will: Das absolute Maximum.
 
Was war passiert?
Eine Arbeitgeberin wollte sich mit einem Arbeitnehmer auf einen Aufhebungsvertrag verständigen.
Hierzu fand ein Personalgespräch statt, an dessen Ende dem Arbeitnehmer ein Aufhebungsvertragsangebot gemacht wurde.
Gleichzeitig wurde der Arbeitnehmer unwiderruflich freigestellt.
Der Hintergrund war klar: Die Arbeitgeberin wollte dem Arbeitnehmer Zeit geben, sich das Aufhebungsvertragsangebot zu überlegen und ihn derweil unwiderruflich freistellen.
Gut gedacht, aber schlecht gemacht.
Auf dem Papier war die unwiderrufliche Freistellung nämlich nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt befristet, sondern unbefristet.
Und genau das versuchte der Anwalt des Arbeitnehmers schamlos auszunutzen.
Er stellte sich gegenüber der Arbeitgeberin nämlich auf folgenden Standpunkt:
Durch das Freistellungsschreiben sei sein Mandant bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung freigestellt, und das seien 18 Jahre und 3 Monate. In dieser Zeit würde sein Mandant rund 2 Millionen Euro (!) verdienen.
Infolgedessen käme eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber ein Viertel dieses Betrages, sprich rund 500.000,00 Euro als Abfindung zahle. Puh!
 
Die Arbeitgeberin ließ sich darauf natürlich nicht ein. Sie erklärte die Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag für gescheitert und forderte den Arbeitnehmer auf, seine Arbeit wieder aufzunehmen.
Der Arbeitnehmer blieb stur, kam nicht und berief sich weiter auf seine unwiderrufliche Freistellung.
Dann folgte eine Abmahnung und nachdem der Arbeitnehmer immer noch nicht wieder zum Dienst erschienen war, eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung.
 
In dem dann folgenden Kündigungsschutzverfahren musste das Arbeitsgericht über das Freistellungsschreiben bzw. darüber entscheiden, ob der Arbeitnehmer aufgrund dieses Schreibens tatsächlich über das Ende der Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag hinaus unwiderruflich freigestellt war.
 
Am Ende hat die Arbeitgeberin sowohl in erster als auch zweiter Instanz Recht bekommen. Das Gericht interpretierten die Freistellungserklärung so, dass sie nur den Zeitraum bis zum Abschluss der Aufhebungsvereinbarung überbrücken sollte.
 
Diese Arbeitgeberin hat also nochmal Glück gehabt. Hätte sie die Freistellungserklärung von vornherein sorgfältiger formuliert, hätte sie sich den Rechtsstreit allerdings sparen können. Und, der Fall hätte auch anders ausgehen können …
 
Und was lernen wir daraus?

  • Es ist eine gute Sache, Beschäftigten nach einem Trennungsgespräch Gelegenheit zu geben, in Ruhe nachzudenken, ohne währenddessen arbeiten zu müssen.

  • Wichtig ist aber, dass man die Freistellung, zumal wenn es eine unwiderrufliche sein soll, dann zeitlich befristet. Wenn man den Beschäftigten also beispielsweise eine Woche Zeit geben möchte, sollte man die Freistellung auch für eine Woche befristen.

  • Wenn die Beschäftigten sich darauf einlassen, kann man sich mit ihnen natürlich (noch besser!) darauf verständigen, dass sie für die Dauer der Überlegungsfrist XY Tage Urlaub nehmen. Auf diese Weise lässt sich das Urlaubskonto schon im Vorfeld eines Vergleichsschlusses reduzieren.
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