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Neue und für Arbeitgeber gute Nachrichten zum Thema Urlaub

Passend zur Urlaubszeit möchten wir gerne von zwei neuen BAG Urteilen zum Thema Urlaub berichten.
 
1. In welcher Reichenfolge werden gesetzlicher Mindesturlaub und (tarif-) vertraglicher Mehrurlaub getilgt?
In dem ersten Urteil hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, in welcher Reihenfolge der den Beschäftigten zustehende Urlaub erfüllt wird.
Die Antwort auf diese Frage ist deshalb wichtig, weil nahezu alle Beschäftigten heutzutage mehr Urlaub erhalten, als ihnen von Gesetzes wegen zusteht. Der gesetzliche Mindesturlaub beläuft sich bei einer 5-Tage-Woche bekanntlich nur auf 20 Tage. Und in Deutschland gibt es wohl kaum mehr Arbeitnehmer:innen, die nur 20 Tage Urlaub haben.
Bei schwerbehinderten Beschäftigten besteht der Urlaub sogar aus drei Teilen, dem gesetzlichen Mindesturlaub, dem gesetzlichen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte und dem (tarif-)vertraglichen Mehrurlaub.

Ebenso enthalten nahezu alle Arbeits- und Tarifverträge mittlerweile Regelungen, die den (tarif-)vertraglichen Mehrurlaub (z. B. bei einem unterjährigen Ausscheiden der Beschäftigten, beim Verfall von nicht genommenen Urlaubsansprüchen etc.) einschränken. Damit kompensieren Arbeitgeber die Dinge, die ihnen beim gesetzlichen Mindesturlaub verwehrt sind. Der gesetzliche Mindesturlaub ist nämlich unverzichtbar und muss so gewährt werden, wie es im Bundesurlaubsgesetz steht. Und im Bundesurlaubsgesetz steht ja beispielsweise, dass Beschäftigte, die in der zweiten Jahreshälfte ausscheiden, Anspruch auf den vollen Urlaub haben.
 
Die beim Mehrurlaub vorgenommenen Einschränkungen wirken allerdings nur, wenn die von den Beschäftigten noch nicht vollständig in Anspruch genommenen Urlaubstage vorrangig auf den gesetzlichen Urlaub, sprich den Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz und den gesetzlichen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Beschäftigte angerechnet werden.
 
Um dieses Ziel zu erreichen, ist in etlichen Arbeits- oder Tarifverträgen bereits vereinbart worden, dass die in Anspruch genommenen Urlaubstage zunächst auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche angerechnet werden.
 
Nun können aber auch die Arbeitgeber aufatmen, die eine solche Regelung noch nicht haben. In seiner gerade veröffentlichten Entscheidung vom 01.03.2022 (Az.: 9 AZR 353/21) hat das Bundesarbeitsgericht nämlich entschieden:
 
Bereits in Anspruch genommener Urlaub ist zunächst auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche anzurechnen!
 
2. Urlaub, wenn Beschäftigte 2 Arbeitsverhältnisse haben
Nicht weniger interessant ist das nächste Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 02.05.2022 (Az.: 15 Sa 885/21), das folgenden praxisrelevanten Fall betrifft:
Ein Arbeitgeber spricht eine unwirksame Kündigung aus. Infolgedessen muss der Arbeitgeber die sowohl zwischenzeitlich aufgelaufenen Gehalts- als auch die Urlaubsansprüche abwickeln.
 
Aber wie läuft die Urlaubsabwicklung, wenn die/der Beschäftigte zwischenzeitlich ein anderes Arbeitsverhältnis hatte, in dem er bereits vom anderen Arbeitgeber Urlaub erhalten hat?
 
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat diese Frage in seinem Urteil vom 02.05.2022 (Az.: 15 Sa 885/21), folgendermaßen beantwortet: 

  • Grundsätzlich sind Urlaubsansprüche von Arbeiternehmer:innen aus verschiedenen Arbeitsverhältnissen unabhängig voneinander zu erfüllen. Soll sagen: Die/der Beschäftigte kann den Urlaub von jedem Arbeitgeber verlangen.
  • Anders ist es aber in Fallkonstellationen, in denen Beschäftigte nicht beide Arbeitsverhältnisse gleichzeitig bedienen können, wie das hier der Fall war.
    In dieser Konstellation müssen Beschäftigte sich den ihnen vom anderen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf den Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber anrechnen lassen. Das schlussfolgern die niedersächsischen Landesarbeitsrichter aus einer analogen Anwendung von § 11 des Kündigungsschutzgesetzes sowie § 615 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches. 

Daraus folgt:
Können beide Arbeitsverhältnisse nebeneinander bestehen, wie das oft bei Teilzeit-arbeitsverhältnissen der Fall ist, sind die Urlaubsansprüche von jedem Arbeitgeber zu erfüllen. Anders ist es, wenn das neue Arbeitsverhältnis das alte ersetzt.
 
Da es zu diesem Problem noch keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gibt, hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Sobald das Bundesarbeitsgericht entschieden hat, setzen wir unsere Berichterstattung fort.
 
3. Kein Urlaub und keine Urlaubsabgeltung bei nicht enden wollender Erkrankung
Langzeiterkrankte Beschäftigte haben ein großes Problem:
Sie haben viele Urlaubsansprüche, die sie gerne versilbern möchten.
Rechtlich gesehen haben diese Beschäftigten allerdings Pech gehabt.

  • Sie können den Urlaub nicht in Anspruch nehmen. Denn Urlaub setzt die Befreiung der Arbeitspflicht voraus und kranke Arbeitnehmer:innen sind von ihrer Arbeitspflicht befreit.
  • Sie können sich den Urlaub auch nicht ausbezahlen lassen, da eine Urlaubsabgeltung nur fällig wird, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist.

Das hat das Landesarbeitsgericht Thüringen per Urteil vom 08.09.2021 (Az.: 4 Sa 54/21) entschieden.

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