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Vorsicht Falle: Verzugszinsen trotz Trennungsvergleich – warum sich oberflächliche Formulierungen böse rächen können

Heute soll es um das gerade veröffentlichte Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.03.2022 (Az.: 4 Sa 1104/21) gehen.
Das Urteil zeigt nämlich, dass vergleichsbereite Arbeitgeber gut daran tun, sich bei arbeitsgerichtlichen Trennungsvergleichen nicht nur auf Textbausteine zu verlassen, auch nicht auf solche, die Arbeitsrichter:innen für Trennungsvergleiche vorhalten.
 
Ausgangspunkt war ein alltäglicher Fall:
Der Arbeitgeber kündigte ein relativ junges Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende. Die betroffene Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage. Im Gütetermin konnte noch kein Kompromiss gefunden werden. Einen Vergleich gab es erst im Kammertermin. Und auf Kammertermine muss man bekanntlich lange warten; oft finden sie, und so war es auch hier, erst weit nach Ablauf der Kündigungsfrist statt.

Gegenstand des Vergleichs war eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zum ordentlichen Kündigungstermin, sondern zu einem erst sehr viel späteren Termin (anstelle einer Abfindung).
Das Arbeitsgericht protokollierte den Vergleich unter anderem mit folgender Standardformulierung:
 
„Bis zum Beendigungszeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der Überleitung von Ansprüchen auf die Agentur für Arbeit ordnungsgemäß abgewickelt mit der Maßgabe, dass die Klägerin unter Anrechnung auf ihre Urlaubsansprüche und eventuelle Ansprüche aus Mehrarbeit von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt war und diese Ansprüche damit vollständig verbraucht hat.“
 
Anders als dieser Arbeitgeber (und viele andere Arbeitgeber sicher auch) dachte, war der Rechtsstreit damit aber noch nicht beendet.
 
Die Arbeitnehmerin verlangte für die aufgrund des Vergleichs nachzuzahlenden Gehälter nämlich jetzt noch Verzugszinsen. Schließlich seien die Gehälter ja nicht pünktlich zum Monatsende, sondern infolge des Vergleichs erst später gezahlt worden.
 
Der Arbeitgeber sah überhaupt nicht ein, dass er jetzt noch Zinsen zahlen sollte (schließlich hatte er doch zu einem viel früheren Termin gekündigt), und die Sache ging wieder vors Arbeitsgericht.
 
In erster Instanz bekam der Arbeitgeber noch Recht. Das Arbeitsgericht legte den Vergleich mit der gängigen Formulierung nämlich so aus, dass Arbeitnehmer:innen hierdurch zumindest konkludent auf die Zahlung von Zinsen verzichten.
 
Das böse Erwachen kam in der nächsten Instanz, die Landesarbeitsgericht Düsseldorf hieß.
 
Die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter sprachen der Arbeitnehmerin die Verzugszinsen zu und begründeten das folgendermaßen:
 
„Eine 'übliche Handhabung‘, mit dem Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs konkludent auf die Zahlung von Zinsen auf den im Vergleich geregelten Anspruch auf Verzugslohn zu verzichten, wie sie das Arbeitsgericht angenommen hat, ist nicht ersichtlich. Eine solche Praxis besteht nicht. Auch in der vom Arbeitsgericht angeführten Rechtsprechung finden sich keine tragfähigen Hinweise darauf […] Das Arbeitsgericht meint offenbar die durchaus gängige Praxis, bei beziffert und mit Zinsen eingeklagten Forderungen (Anmerkung von uns: also insbesondere Gehaltsklagen) im Falle eines Vergleichs auf Zinsen zu verzichten. In diesen Fällen liegt aber ein ausdrücklicher Verzicht vor, da sich die Parteien anstelle der Klageforderung nebst Zinsen auf die Zahlung eines Betrages ohne Zinsen verständigen. Darum geht es bei der Abrede einer 'ordnungsgemäßen‘ Abwicklung nicht. Vielmehr gilt hier die allgemeine Regel: Wenn (wie hier aufgrund des Vergleichs) feststeht oder auch nur davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben […] Etwas anderes muss hinreichend deutlich vereinbart sein.“
 
Und was ist mit dem Grundsatz „Kein Verzug ohne Verschulden?“
Damit können sich Arbeitgeber nach solchen Vergleichen in vielen Fällen leider nicht aus der Affäre ziehen. Auch hier möchten wir gerne die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter zitieren:
 
„Der kündigende Arbeitgeber, der keine Arbeitsvergütung mehr zahlt, hat zum Ausschluss eines Schuldnerverzuges darzulegen und zu beweisen, dass aus seiner Sicht Kündigungsgründe vorliegen, die einen sorgfältig abwägenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen konnten, sodass er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte.“
 
Und da wir alle wissen, dass viele Kündigungen kritisch sind, liegt in solchen Fällen auch immer Verschulden vor.
 
Was lernen wir daraus?
Vergleichsbereite Arbeitgeber sollten Vergleiche vor den Gerichtsterminen gut vorbereiten und Einfluss auf die Formulierung von Vergleichen in Gerichtssälen nehmen.
 
In Vorbereitung solcher Termine (und in arbeitsgerichtlichen Verfahren finden ja in jedem Termin Vergleichsverhandlungen statt) sollten Arbeitgeber sich insbesondere überlegen, worüber es bei einer 'ordnungsgemäßen Abwicklung‘ Streit geben könnte. Das können, wie wir jetzt gelernt haben, sogar Verzugszinsen sein. Das können aber beispielsweise auch Sonderzahlungen sein, über die es – gerade bei einer unterjährigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Streit geben könnte.
 
Wichtig ist: Dinge, die der Arbeitgeber, wenn er sich schon vergleicht, nicht zahlen möchte, müssen in solchen Vergleichen ausdrücklich von der 'ordnungsgemäßen Abwicklung' ausgeschlossen werden.
 
Nebenbei bemerkt: Wir halten von der Formulierung einer ‚ordnungsgemäßen Abwicklung‘ ohnehin nichts. Wir finden es besser, wenn die Positionen/Beträge, die noch zu leisten sind, betragsmäßig genau beziffert und damit einhergehend weitergehende Ansprüche ausdrücklich für erledigt erklärt werden. Nur dann sind Erledigungsklauseln, wie sie in arbeitsgerichtlichen Vergleichen ebenfalls gang und gäbe sind, übrigens auch etwas wert. Oder anders gesagt: Wenn Arbeitgeber die ordnungsgemäße Abwicklung schulden, nutzt ihnen die Erledigung nichts. Denn zur ordnungsgemäßen Abwicklung gehört ja, dass sie alles zahlen müssen, was der:dem Beschäftigten vertragsgemäß zusteht.

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