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Beschäftigte müssen sich arbeitssuchend melden, sonst gehen sie auch bei einer unwirksamen Kündigung leer aus!

Aus Arbeitgebersicht ist ein Abfindungsvergleich in streitigen Kündigungsfällen oft ein Rechenexempel. Oder anders gesagt: Ist die im Raum stehende Abfindung gemessen an dem Risiko der Nachzahlung von Gehältern (sogenanntes Annahmeverzugslohnrisiko) wirtschaftlich erträglich, greifen Arbeitgeber aus prozessökonomischen Gründen gerne zum Abfindungsvergleich. Viele Arbeitgeber wissen allerdings noch nicht, dass das Bundesarbeitsgericht die Rechte von Arbeitgebern im Hinblick auf dieses Annahmeverzugslohnrisiko seit seinem Urteil vom 27.05.2020 (Az.: 5 AZR 387/19) gestärkt hat.
Über dieses für die betriebliche Praxis enorm wichtige Urteil und dessen Folgen hatten wir bereits in unserem Newsletter vom 01.09.2020 berichtet.
 
In Fortschreibung dieser Rechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 09.11.2021 (Az.: 10 Sa 15/21) nun entschieden:

Beschäftigte, die sich nicht arbeitssuchend melden, handeln im Sinne von § 615 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches bzw. § 11 Nr. 2 des Kündigungsschutzgesetzes grundsätzlich böswillig. Sie erhalten daher grundsätzlich keinen Annahmeverzugslohn.
 
Der Kläger, der aus dem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren als Sieger hervorgegangen war, sich aber nicht arbeitssuchend gemeldet hatte, ging bezogen auf den Annahmeverzugslohn daher leer aus.
 
Dabei ließen die Landesarbeitsrichter folgende Argumente des Klägers nicht gelten:
Er sei eine Führungskraft in einer Position, die ausschließlich durch Headhunter besetzt werde.
Eben weil er eine Führungskraft sei, hätte eine Arbeitslosmeldung außerdem zu einem Imageschaden geführt, zumal diese im Lebenslauf für weitere Bewerbungen hätte angegeben werden müssen.
 
Diese Argumente ließen die niedersächsischen Landesarbeitsrichter nicht gelten. Ebenso wenig folgten sie dem Kläger in seiner Argumentation, er habe eigene, aber erfolglose Initiativen zur Jobsuche entfaltet. Ein solches eigenes Tätigwerden könne die Arbeitslosmeldung nämlich nicht ersetzen, sondern nur ergänzen, so das Landesarbeitsgericht Niedersachsen.
 
Das letzte Wort in der Frage, ob Beschäftigte sich in bestimmten Fällen nicht arbeitssuchend melden müssen, wird das Bundesarbeitsgericht haben, da das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die Revision zugelassen hat.
 
Bis dahin aber gilt ganz grundsätzlich:
 
Beschäftigte genügen ihren Verpflichtungen nach § 615 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches bzw. § 11 Nr. 2 des Kündigungsschutzgesetzes nur, wenn sie sich arbeitssuchend melden und sich außerdem mit den ihnen von der Agentur für Arbeit offerierten Vermittlungsvorschlägen befassen, und zwar ernsthaft.
 
Da Arbeitgeber weder von der Arbeitslosmeldung wissen noch eventuelle Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit kennen, haben Arbeitgeber eine dementsprechenden Auskunftsanspruch gegenüber den Beschäftigten, den sie unbedingt geltend machen sollten.
Diesen Auskunftsanspruch hat das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgebern bereits in seinem Urteil vom 27.05.2020 (Az.: 5 AZR 387/19) zugestanden, über das wir in unserem Newsletter vom 01.09.2020 berichtet hatten.
 
Was können Arbeitgeber sonst noch tun, um sich die neue Rechtsprechung zum Annahmeverzugslohn zunutze zu machen?
 
Sie können selbst auf den gängigen Jobportalen nach adäquaten Jobangeboten suchen und diese dem gekündigten Beschäftigten übermitteln. Wichtig ist, dass solche Jobangebote der/dem Beschäftigten zumutbar sein müssen, insbesondere im Hinblick auf Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung.
 
Arbeitgeber tun außerdem gut daran, gekündigte Beschäftigte, die Kündigungsschutzklage erhoben haben, ausdrücklich von ihrem Wettbewerbsverbot zu entbinden. Denn durch die von den Beschäftigten erhobene Kündigungsschutzklage, die auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, sind sie nicht ohne Weiteres vom Wettbewerbsverbot befreit.
 
Last but not least sollten Arbeitgeber im Verfahren auf rückständige Gehaltszahlungen den gerade beschriebenen Auskunftsanspruch einredeweise geltend machen.
Damit steigt die Chance für Arbeitgeber, den Annahmeverzugslohnprozess trotz unwirksamer Kündigung alleine deshalb zu gewinnen, weil die/der Beschäftigte nur unzureichend Auskunft gibt, z. B. weil er adäquate Jobangebote der Agentur für Arbeit nicht ernsthaft verfolgt hat.
 
Genau damit haben wir gerade ein Verfahren beim Landesarbeitsgericht Köln gewonnen, und können Arbeitgebern daher nur Mut machen.

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