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Mutterschutzlohn bei schwankendem Einkommen:
Berechnung und Vermeidung von unzulässigen Diskriminierungen

Heute soll es um folgende Themen gehen:

  • Wie berechnet man den Mutterschutzlohn bei schwankendem Arbeitseinkommen?
  • Und wann setzt man sich Entschädigungsansprüchen wegen unzulässiger Diskriminierung aus, weil man variable Vergütungsbestandteile nicht (richtig) beim Mutterschaftsgeld berücksichtigt?

1.  Wie berechnet man Mutterschutzlohn bei schwankendem Arbeitseinkommen?

Mit dieser Frage hat sich das Arbeitsgericht Köln in seinem Urteil vom 08.09.2021 (Az.: 18 Ca 3348/20) in einem Fall beschäftigt, in dem das monatliche Einkommen der Arbeitnehmerin starken Schwankungen unterlag.

Bemessungszeitraum für den Mutterschutzlohn und den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ist grundsätzlich das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft bzw. vor Beginn der Schutzfrist, §§ 18 S. 2, 20 Abs. 1 S. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG).

Aber ist das noch interessensgerecht, wenn das daraus folgende durchschnittliche Entgelt viel geringer ist als das sonst im Jahresverlauf gezahlte Arbeitsentgelt?
In dem besprochenen Urteil arbeitete die Klägerin als Flugbegleiterin und bekam kein gleich bleibendes festes Gehalt. Vielmehr erhielt sie zusätzlich zur Grundvergütung auch Mehrflugstundenvergütungen und Bordverkaufsprovisionen, welche im Jahr vor ihrer Schwangerschaft (saisonal bedingt) sehr stark schwankten. Die Schwankungen waren so stark, dass die Abrechnung nach dem Durchschnitt der letzten drei Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft dazu führten, dass die betroffene Arbeitnehmerin viel weniger Geld bekam als sie bekommen hätte, wenn man statt auf die letzten drei auf die letzten zwölf Monate abgestellt hätte.

Kann das sein? Soll der Mutterschutzlohn nicht die Mutter "schützen"?
Das Kölner Arbeitsgericht erkennt das Problem und erhöht im Fall der Flugbegleiterin den Bemessungszeitraum von 3 auf 12 Monate.

Die Kölner Arbeitsrichter begründen ihre Entscheidung mit dem Gesetzeszweck von § 18 S. 2 MuSchG. Der liege darin, der schwangeren oder stillenden Beschäftigten bei Beschäftigungsverboten durchgehend Leistungen in Höhe des früheren durchschnittlichen Arbeitsentgelts zu gewähren. Dieses gesetzgeberische Ziel der Verdienstsicherung könne in Einzelfällen nur durch eine angemessene Verlängerung des Bemessungszeitraums erreicht werden.
Bei der Flugbegleiterin hielt das Gericht einen Bemessungszeitraum von 12 Monaten für angemessen. Diese 12 Monate sind allerdings nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr entscheide nach Auffassung der Kölner Arbeitsrichter der Einzelfall über die Länge des Bemessungszeitraums, um eine gerechte Vergütung zu erreichen und die Mutter zu schützen.

Das Ziel, die Frau und ihr Kind auch finanziell zu schützen, sind laut Arbeitsgericht Köln höher zu bewerten als die damit verbundenen finanziellen Mehrbelastungen der Arbeitgeber. Das gelte umso mehr, als der Arbeitgeber die ihm entstandenen Kosten durch das Umlageverfahren und den Erstattungsanpruch nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Aufwendungsausgleichsgesetzes kompensieren könne.

Auswirkungen auf die Praxis:
Bei der Zahlung des Mutterschutzlohns und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld von Arbeitnehmerinnen mit schwankendem Arbeitsentgelt sollten Arbeitgeber genau prüfen, ob das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei Monate vor der Schwangerschaft  angemessen ist. Ist das nicht der Fall, ist der Bemessungszeitraum so anzupassen, dass er das vor der Schwangerschaft erzielte Einkommen auch wirklich repräsentativ widergibt.

2. Benachteiligung von Schwangeren wegen Vorenthaltung von Variablen während einem Beschäftigungsverbot oder einer schwangerschaftsbedingten Arbeitsunfähigkeit

In dem Urteil des LAG Rheinland-Pfalz von 04.03.2021 (Az.: 5 Sa 266/20) ging es um eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) für eine schwangere Arbeitnehmerin, der vom Arbeitgeber während der schwangerschaftsbedingten Arbeitsunfähigkeit sowie eines ärztlichen Beschäftigungsverbots nur das Grundgehalt, nicht aber die Provisionen gezahlt worden waren.

Nach Meinung der rheinland-pfälzischen Landesarbeitsrichter reicht das für eine unzulässige Diskriminierung und einen daraus folgenden Entschädigungsanspruch der betroffenen Arbeitnehmerin.

Anders als in dem vom Arbeitsgericht Köln entschiedenen Fall war es hier allerdings so, dass der Arbeitgeber gar keine Variablen gezahlt hatte. Der Arbeitgeber hatte sich also über den Gesetzeswortlaut hinweggesetzt. Demgegenüber hatte der Arbeitgeber in dem vom Arbeitsgericht Köln entschiedenen Fall den Gesetzeswortlaut ja zunächst auf seiner Seite. Deshalb hätte die Arbeitnehmerin in dem Kölner Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch keinen Entschädigungsanspruch wegen unzulässiger Diskriminierung gehabt.
Sollte sich die vom Arbeitsgericht Köln geforderte einzelfallbezogene Berechnung des Mutterschutzlohns und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld jedoch durchsetzen, riskieren auch Arbeitgeber, die sich weiter "stumpf" an den 3 abgerechneten Kalendermonaten vor der Schwangerschaft orientieren, einen Entschädigungsanspruch.

Wir wünschen allen Leser:innen schöne Weihnachten und alles Gute für das Neue Jahr.

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