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Praxisrelevante "Corona-Urteile"

Das Band der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen rund um Corona reißt nicht ab. Daher möchten wir Ihnen heute vier weitere äußerst praxisrelevante Urteile vorstellen.
 
Urlaub während der Quarantäne? – Pech gehabt
Passend zur Urlaubszeit haben das Arbeitsgericht Bonn (Urteil vom 07.07.2021, Az.: 2 Ca 504/21) und das Arbeitsgericht Halle (Urteil vom 23.06.2021, Az.: 4 Ca 285/21) folgende wichtige Entscheidung getroffen: Erhält ein/e Beschäftigte/r während des Urlaubs eine behördliche Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus, hat die/der Beschäftigte keinen Anspruch auf Nachgewährung der Urlaubstage.

Wie Sie wissen, haben Beschäftigte, die während des Urlaubs arbeitsunfähig erkranken und dies durch ärztliche Bescheinigung nachweisen, einen Anspruch auf Nachgewährung der betroffenen Urlaubstage. Das regelt § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).

Darüber, ob Quarantäne = Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 9 BUrlG ist, streiten sich die juristischen Geister.

Die Arbeitsgerichte Bonn und Halle haben sich nun gegen eine Analogie zu § 9 BUrlG entschieden, sofern die/der Beschäftigte während der Quarantäne keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt.

Da es sich nur um ein erstinstanzliches Urteil handelt, ist das letzte Wort in dieser Frage noch nicht gesprochen.

Unternehmen, die wegen einer Quarantäne verloren gegangene Urlaubsansprüche nachgewähren sollen, haben mit diesen Urteilen aber jetzt etwas in der Hand.

Entgeltfortzahlung trotz Quarantäne möglich
Das Arbeitsgericht Aachen müsste sich in seinem Urteil vom 30.03.2021 (Az.: 1 Ca 3196/20) mit der Frage beschäftigen, ob Arbeitnehmer:innen, die während einer Quarantäneanordnung arbeitsunfähig erkranken, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben oder ob der Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorrangig ist.

Der Sachverhalt in Kürze: Der Kläger hatte wegen Kopf- und Magenschmerzen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten. Zusätzlich ließ er einen Covid-19-Test durchführen und meldete dies dem Gesundheitsamt, woraufhin dieses eine häusliche Quarantäne anordnete. Im Endeffekt fiel der Test dann aber negativ aus. Die Arbeitgeberin zahlte aufgrund der Quarantäneanordnung keine Entgeltfortzahlung, sondern stattdessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 Abs. 1).

Das Arbeitsgericht Aachen musste nun entscheiden, ob der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) oder Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) bekommt.
Die Aachener Richter entschieden pro Entgeltfortzahlung.
Begründung: Die Quarantäne schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus. Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt zwar voraus, dass allein die Arbeitsunfähigkeit zum Wegfall des Entgeltanspruchs geführt hat. Das war hier aber gegeben: Der Arzt hatte die Arbeitsunfähigkeit ja aufgrund der Kopf- und Magenschmerzen bescheinigt.

Als Faustregel kann man sich also merken:

Besteht die Arbeitsunfähigkeit schon vor oder gleichzeitig mit der Quarantäneanordnung, ist Entgeltfortzahlung zu leisten.
Der Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG verdrängt den Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem EntgFG nur dann, wenn der/die Beschäftigte bloß ansteckungs- oder krankheitsverdächtig (nicht aber arbeitsunfähig erkrankt) ist oder wenn die Arbeitsunfähigkeit nachträglich hinzutritt (in diesem Fall regelt § 56 Abs. 7. IfSG ausdrücklich, dass der Entschädigungsanspruch bestehen bleibt).

ABER:
Arbeitgeber, bei denen § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht arbeits- oder tarifvertraglich ausgeschlossen ist, müssen nach Meinung einiger Verwaltungsgerichte allerdings auch für die Quarantäne zahlen, siehe z.B. unseren Newsletter vom 06.07.2021.

Entschädigung nach § 56 IfSG gibt es also nur, wenn es keine Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers gibt.
 
Dienstreise ins Risikogebiet – kein Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG

Reisen Beschäftigte aufgrund einer dienstlichen Anweisung in ein ausländisches Risikogebiet und müssen sich daher im Nachgang in eine häusliche Quarantäne begeben, kann der Arbeitgeber vom Land grundsätzlich keine Erstattung für die anfallende Lohnfortzahlung verlangen. Das hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 30.06.2021 (Az.: 9 K 67/21) entschieden.

Das klagende Maschinenbauunternehmen hatte einen Servicemonteur zu einem Kunden nach Österreich geschickt. Da Österreich zu diesem Zeitpunkt als Risikogebiet eingestuft war, musste der Arbeitnehmer sich bei seiner Rückkehr in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Das Unternehmen verlangte vom Land Baden-Württemberg nun Erstattung nach dem Infektionsschutzgesetz.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage des Arbeitgebers mit zwei Argumenten ab.

Erstes Argument: Der Arbeitgeber müsse nach § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zahlen. Begründung: Der Arbeitsausfalll beruhe auf einer unternehmerischen Entscheidung (nämlich der Weisung, zu dem Kunden nach Österreich zu fahren) und die anschließende Quarantäne sei vorhersehbar gewesen.

Zweites Argument: Auch die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Absatz  des Infektionsschutzgesetzes seien nicht gegeben. Der Arbeitgeber habe nämlich keinen zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise in ein Risikogebiet vorgetragen, so dass die Quarantäne vermeidbar gewesen wäre.

Achtung: Die Frage, ob eine Weisung des Arbeitgebers zur Durchführung einer Dienstreise in ein Risikogebiet zulässig ist, steht auf einem anderen Blatt. Die überwiegende Ansicht in der arbeitsrechtlichen Literatur verneint das.
Folge: Dem/der Beschäftigten steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu.

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