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Grundsatzurteil des BAG zu Ruhezeiten bei Schichtarbeit

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 16.09.2020 (Az.: 7 AZR 491/19) ein Grundsatzurteil zur Einhaltung von Ruhezeiten bei Schichtarbeit getroffen. Im konkreten Fall ging es um die Einhaltung der Ruhezeit bei Personalratsarbeit. Sie werden aber sehen, dass die Entscheidung nicht nur für Personalräte oder Betriebsratsmitglieder relevant ist, sondern für alle Mitarbeiter:innen in Schichtarbeit.

Der Reihe nach:

Dem Bundesarbeitsgericht lag folgender Sachverhalt vor: Ein Arbeitnehmer wollte seine Arbeit in der von 22 bis 6 Uhr dauernden Nachtschicht verkürzen und bezahlt freigestellt werden, weil er am nächsten Tag um 12 Uhr an einer Personalratssitzung teilnehmen wollte. Er begründete dies damit, dass er ansonsten die erforderliche Ruhezeit von 10 Stunden (es handelte sich um einen Verkehrsbetrieb, sodass die Ruhezeit von 11 Stunden auf 10 Stunden reduziert war) nicht vor Beginn der Personalratssitzung einhalten könne. Der Arbeitgeber hielt dagegen, dass der Arbeitnehmer ja auch erst nach der Personalratssitzung die Ruhezeit antreten könne, zumal er erst wieder am übernächsten Tag arbeiten müsse.

Bevor wir uns anschauen, wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat, möchten wir noch einmal den Stand der Dinge zum Thema „Arbeitszeit und Betriebsratsarbeit“ in Erinnerung rufen:

  • Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, ob die Betriebsratstätigkeit immer = Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist. Das ließ das BAG in dieser Entscheidung abermals offen.

  • Klar ist aber seit dem Urteil des BAG vom 18.01.2017 (Az.: 7 AZR 224/15), dass Betriebsratstätigkeiten bei der Ruhezeit zu berücksichtigen sind. Das heißt, dass für Betriebsratstätigkeiten jedenfalls die in § 5 des Arbeitszeitgesetzes verankerte 11-stündige Ruhezeit zwischen 2 Arbeitseinsätzen gilt.

    Wenn also zwischen "normaler" Arbeit und Betriebsratstätigkeit weniger als 11 Stunden liegen und es im Unternehmen feste Arbeitszeiten bzw. Schichtzeiten gibt, darf das Betriebsratsmitglied die "normale" Arbeit früher abbrechen (oder später beginnen) und bekommt die ausgefallene Arbeitszeit trotzdem bezahlt oder auf einem eventuell vorhandenen Arbeitszeitkonto gutgeschrieben.

Und an den zuletzt genannten Punkt knüpft nun auch die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts an. Die Richter:innen haben diese Aussage nämlich jetzt konkretisiert und gesagt, dass die ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden (im konkreten Fall 10 Stunden) innerhalb eines festen Zeitraums ab Arbeitsbeginn genommen werden muss.

Um es noch genauer zu sagen: Die ununterbrochene Ruhezeit muss laut Bundesarbeitsgericht gerechnet ab Arbeits- oder Schichtbeginn innerhalb von 24 Stunden genommen werden.

Zur Begründung beruft sich unser höchstes deutsches Arbeitsgericht auf die dem Arbeitszeitgesetz zugrundeliegende EU-Richtlinie. Eine Auslegung von § 5 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes im Sinne des Unionsrechts ergebe, dass die Ruhezeit der/des Beschäftigten innerhalb von 24 Stunden nach Arbeitsbeginn zur Verfügung stehen muss.

Nun sehen Sie auch, dass es sich hierbei um eine ganz generelle Feststellung handelt. Denn § 5 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz gilt natürlich für alle Arbeitnehmer:innen und nicht nur für Personalräte und Betriebsratsmitglieder. Die Aussage des BAG ist also von grundsätzlicher Bedeutung, vor allem für Betriebe mit Schichtarbeitsmodellen.

Jetzt aber noch einmal zurück zum konkreten Fall: Das Bundesarbeitsgericht hielt der Argumentation des Arbeitgebers zugute, dass man durchaus überlegen könne, dass die Arbeitszeit des Klägers nicht schon zum geplanten Schichtende um 6 Uhr, sondern erst nach der Personalratssitzung enden würde, sodass die Ruhezeit erst im Anschluss an die Personalratssitzung zu nehmen sei.
Im Ergebnis gab das Bundesarbeitsgericht aber trotzdem dem Arbeitnehmer Recht. Begründung: Die Argumentation des Arbeitgebers würde dazu führen, dass die Ruhezeit nicht mehr innerhalb des 24-Stunden-Zeitraums läge. Da die Nachtschicht im entschiedenen Fall um 22 Uhr begann, würde der 24-Stunden-Zeitraum am Tag der Personalratssitzung um 22.00 Uhr auslaufen. Unabhängig davon, wie lange die Personalratssitzung dauert, bliebe nach der Sitzung nicht mehr genügend Zeit um die 11- bzw. im konkreten Fall 10-stündige Ruhezeit bis 22.00 Uhr einzuhalten.

Mit dieser Entscheidung haben Arbeitgeber jetzt also eine feste Richtschnur zur Einhaltung von Ruhezeiten.

Wenn Personal- oder Betriebsratsarbeit geleistet wird, geht es aber nicht nur um Ruhezeiten, sondern bekanntermaßen auch um das Thema Freizeitausgleich.

Welche Rechte Betriebsratsmitgliedern beim Freizeitausgleich zustehen, können Sie in unserem Newsletter vom 23.01.2020 nachlesen, in dem wir ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Thema besprechen.

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