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Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat am 28. Mai 2021 das Betriebsrätemodernisierungsgesetz gebilligt.
Das Gesetz finden Sie hier (die Fundstelle ist noch der in Bundestag und Bundesrat eingebrachte Entwurf).

Zweck des Gesetzes soll es insbesondere sein, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern.
Darüber hinaus werden die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausgebaut, insbesondere die Rechte des Betriebsrats bei dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und bei mobiler Arbeit. Außerdem wird die bisher – aufgrund der Corona-Pandemie – befristete Regelung zur Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Video-oder Telefonkonferenz unbefristet fortgesetzt.
Abschließend enthält das Gesetz auch eine Klarstellung zur datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit nach der Datenschutz-Grundverordnung.
 
Die aus unserer Sicht wesentlichen Neuerungen möchten wir im Folgenden kurz für Sie zusammenfassen:

  • Gründung von Betriebsräten soll gefördert werden
    Laut einer Erhebung aus dem Jahr 2019 verfügen nur 9 bis 10 % der betriebsratsfähigen Betriebe in Deutschland über einen Betriebsrat. Dass die Bildung von Betriebsräten vor allem in größeren Unternehmern erfolgt, führt dazu, dass immerhin rund 40 % der Beschäftigten von Betriebsräten vertreten werden. Nach Ansicht des Arbeitsministeriums ist das zu wenig; unstreitig ist jedenfalls, dass die Zahlen seit Jahren sinken.
    Die Gründe für die abnehmende Vertretung durch Betriebsräte sind sicherlich vielfältig. Nach Ansicht des Arbeitsministeriums kommt als Ursache insbesondere in Frage, dass in kleineren Unternehmen bewusst auf die Gründung eines Betriebsrats verzichtet wird, weil hier die Formalien des Wahlverfahrens eine Hemmschwelle darstellen, die es bei der Organisation einer Betriebsratswahl zu überwinden gilt. Daneben sucht das Ministerium die Schuld aber auch vielfach bei den Arbeitgebern, die in etlichen Fällen die Wahl von Betriebsräten behindert haben sollen. Um diese beiden aus Sicht des Arbeitsministeriums vorliegenden Probleme zu lösen, sieht das Gesetz die Ausweitung der Möglichkeiten für ein vereinfachtes Wahlverfahren für die Wahl des Betriebsrats vor. Obligatorisch ist das vereinfachte Wahlen künftig in Betrieben mit in der Regel 5 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmer:innen; durch Vereinbarung zwischen Wahlvorstand und Unternehmen kann das vereinfachte Wahlverfahren in Zukunft aber auch in Betriebsgrößen zwischen 101 und 200 Arbeitnehmer:innen angewandt werden.

    Bei Unternehmen mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmer:innen soll die Wahl zum Betriebsrat sogar ohne offiziellen Wahlvorschlag (also ohne Unterstützerunterschriften) möglich sein. Arbeitnehmer:innen können sich folglich selbst zur Wahl stellen und die Wahl in eigener Verantwortung durchführen.

    Gleichzeitig wird der Sonderkündigungsschutz für die Initiatoren einer Betriebsratswahl erweitert und zwar in doppelter Hinsicht.
    Zum einen erhalten jetzt die ersten 6 Arbeitnehmer:innen (bislang waren es 3) Sonderkündigungsschutz, die zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung einladen oder die Bestellung eines Wahlvorstands beantragen.
    Zum anderen wird mit dem neuen § 15 Abs. 3 b des Kündigungsschutzgesetzes ein völlig neuer Sonderkündigungsschutz für diejenigen Arbeitnehmer:innen eingeführt, die schon vor solchen offiziellen Einladungen Vorbereitungshandlungen unternehmen und ihre Absicht, einen Betriebsrat zu errichten, notariell beglaubigen lassen.

    Insbesondere vor dem Hintergrund des vereinfachten Wahlverfahrens, birgt diese Ausweitung des Sonderkündigungsschutzes natürlich Sprengstoff.

  • Mitbestimmung des Betriebsrats beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI)
    KI kann Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe erheblich beeinflussen. Sollten Sie planen, im Betrieb KI einzusetzen, müssen Sie den Betriebsrat zukünftig frühzeitig darüber informieren und ihm alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Der Betriebsrat hat umfassende Informationsrechte und – auch das ist neu – das Recht, Sachverstand hinzuzuziehen. Allerdings müssen sich Arbeitgeber und Betriebsrat unverändert über die Kosten und die Person des Sachverständigen einigen, einen Freifahrtschein für den Betriebsrats gibt es also nicht.

  • Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit
    Künftig sollen Betriebsräte auch bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit mitbestimmen können. Dafür wird mit § 87 Abs. 1 Nr. 14 ein ganz neuer Mitbestimmungstatbestand geschaffen. Das „Ob“ der mobilen Arbeit verbleibt in der Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers. Betriebsräte sollen allein bei der inhaltlichen Ausgestaltung der mobilen Arbeit mitbestimmen dürfen. Dazu gehören Regelungen über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit oder über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf. Aber auch Regelungen zu konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers, zur Erreichbarkeit, zum Umgang mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit und über einzuhaltende Sicherheitsaspekte gehören zu den mitbestimmungspflichtigen Themen.

  • Digitale Beschlussfassung des Betriebsrats wird dauerhafte Option
    Die aktuelle pandemiebedingte Möglichkeit zur Teilnahme sowie Beschlussfassung an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats und anderer Gremien mittels Video- und Telefonkonferenz ist in § 129 BetrVG verankert und befristet bis zum 30. Juni 2021.
    Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz sollen Betriebsratssitzungen nun dauerhaft per Video- oder Telefonkonferenz zulässig sein, Präsenzsitzungen sollen aber weiterhin Vorrang haben.
    Der Betriebsrat muss die Rahmenbedingungen für Video- und Telefonkonferenzen unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung in einer Geschäftsordnung festlegen. Die Anzahl digitaler Sitzungen könnte beispielsweise insgesamt zahlenmäßig oder auf bestimmte Themen begrenzt werden.

  • Elektronische Form kann Schriftform ersetzen
    Es wird klargestellt, dass Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden können. Das gilt ausdrücklich auch für Interessenausgleich und Sozialplan und sogar für die Entscheidung der Einigungsstelle (hier hatte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 entschieden, dass eine Unterzeichnung mittels elektronischer Form nicht zulässig sei, da es an einer Rechtgrundlage fehle).

  • Klarstellung der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen durch den Betriebsrat
    Sofern der Betriebsrat personenbezogene Daten der Beschäftigten verarbeitet, hat er die datenschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Dabei bleibt aber der Arbeitgeber letztlich datenschutzrechtlich Verantwortlicher. Dies stellt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz im neuen § 79a BetrVG klar.
    Der Betriebsrat ist keine selbständige Institution, vielmehr agiert er als unselbständiger Teil des für die Einhaltung des Datenschutzes verantwortlichen Arbeitgebers. Damit hat der Gesetzgeber die bislang umstrittene Frage, ob den Betriebsrat eine eigene Verantwortung im Datenschutz trifft, zu Lasten des Arbeitgebers entschieden.

    Der Betriebsrat hat aber innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs eigenverantwortlich die Umsetzung technischer und organisatorischer Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit im Sinne der Artikel 24 und 32 der DS-GVO sicherzustellen.

    Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat mit den hierfür erforderlichen Sachmitteln auszustatten, etwa geeigneten Sicherungseinrichtungen für Unterlagen mit personenbezogenen Daten (§ 40 Abs. 2 BetrVG). Soweit erforderlich, kann der Betriebsrat die Beratung durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten in Anspruch nehmen.

    Problematisch ist die Regelung deshalb, weil der Arbeitgeber keine Kontrollbefugnisse gegenüber dem Betriebsrat hat.
    In Anbetracht der Tatsache, dass ein Betriebsrat nicht haftet und eine Haftung der Betriebsratsmitglieder jedenfalls gegenüber dem Arbeitgeber ausscheidet, hätte man dieses Dilemma aber wohl auch nicht anders lösen können.

 
Das Gesetz tritt nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft.

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