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Corona-bedingter Umsatzrückgang ist noch kein Kündigungsgrund!

Das Arbeitsgericht Berlin hat in mehreren Urteilen entschieden:
 
Ein Corona-bedingter Umsatzrückgang reicht nicht aus, um betriebsbedingte Kündigungen zu rechtfertigen.

Um betriebsbedingte Kündigungen zu rechtfertigen, müsse der Arbeitgeber vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darlegen, warum ein dauerhafter Auftrags- und Beschäftigungsrückgang zu erwarten sei.
 
Führt der Arbeitgeber Kurzarbeit durch, spricht dies laut den Berliner Richtern obendrein gegen einen dauerhaften Auftrags- und Umsatzrückgang.
 
So haben verschiedene Kammern des Arbeitsgerichts Berlin in den bislang nur als Pressemitteilung veröffentlichten Urteilen vom 05.11.2020 (Az.: 38 Ca 4569/20) sowie vom 25.08.2020 (Az.: 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20 sowie 34 Ca 6668/20) entschieden.
 
Wirklich neu ist diese Erkenntnis allerdings nicht, hat das Bundesarbeitsgericht doch schon in seinem Grundsatzurteil vom 23.02.2012 (Az.: 2 AZR 548/10) geurteilt, dass Arbeitgeber sich bei dem betriebsbedingten Kündigungsgrund namens „Auftragsrückgang“ besondere Mühe mit der Begründung des Wegfalls von Arbeitsplätzen geben müssen, zumal wenn sie in Kurzarbeit sind.
 
Die vom Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung aufgestellten und auch heute noch gültigen Grundsätze lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

  • Eine betriebsbedingte Kündigung wegen Auftragsmangels ist nur möglich, wenn der durch den Auftragsmangel bedingte Beschäftigungsrückgang ein dauerhafter ist. Kurzfristige Produktions- oder Auftragsschwankungen reichen für eine betriebsbedingte Kündigung also nicht aus.

  • Arbeitgeber müssen alle Tatsachen darlegen, aus denen sich ergibt, dass dauerhaft mit einem reduzierten Arbeitsvolumen zu rechnen ist. Da dieser Vortrag die größte Schwachstelle für Arbeitgeber in Kündigungsschutzverfahren ist, möchten wir Ihnen gerne wörtlich sagen, was das Bundesarbeitsgericht von den Arbeitgebern verlangt: 

    „Das Arbeitsgericht hat ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte zur Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit eines nur geringen – und damit auf andere Arbeitnehmer aufteilbaren – Arbeitsvolumens des Klägers nicht hinreichend vorgetragen hat. Sie hat sich auf den pauschalen Vortrag beschränkt, das Volumen habe sich zum 30. September 2009 dauerhaft reduziert, Anhaltspunkte für eine Besserung habe sie zum Zeitpunkt der Kündigung nicht gehabt, auch seien keine Überstunden geleistet worden. Damit hat sie ihrer Darlegungslast nicht genügt. Bestimmte Tatsachen, aus denen zu schließen wäre, dass der mögliche Rückgang der Arbeitsmenge im Kündigungszeitpunkt als dauerhaft anzusehen war, hat sie auf diese Weise nicht behauptet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei diesem Rückgang nur um einen kurzzeitigen, nicht nachhaltigen Trend gehandelt hat. Aus dem Rückgang der Produktion in den ersten Monaten des Jahres 2009 im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2008 lässt sich nicht hinreichend sicher folgern, diese Entwicklung werde sich auch im weiteren Verlauf des Jahres fortsetzen. Hierzu hätte es eines stärker substantiierten, detaillierten Vortrages bedurft, dem beispielsweise die üblichen Auftragszahlen und Bearbeitungsabläufe aus den Vorjahren zu entnehmen gewesen wären. So kann sich die Situation bei kurzfristig erfolgenden Auftragsabrufen anders darstellen als bei langfristigen und planbaren Auftragserteilungen.“

  • Führt der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung Kurzarbeit durch, ist das ein Indiz dafür, dass der Beschäftigungsrückgang kein dauerhafter ist. 

    Es ist daher an dem Arbeitgeber, darzulegen und notfalls auch zu beweisen, dass infolge von Umständen, die nach der Einführung von Kurzarbeit eingetreten sind, ein dauerhafter Arbeitskräfteüberhang besteht, der durch Kurzarbeit nicht mehr aufgefangen werden kann. Auch hier lohnt es sich, das Bundesarbeitsgericht wörtlich zu zitieren: 

    „Für die Zukunftsprognose ist auch von Bedeutung, ob die Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit einer vereinbarten oder prognostizierten Kurzarbeit erfolgt. Wird Kurzarbeit geleistet, so spricht dies dafür, dass die Betriebsparteien nur mit einem vorübergehenden Arbeitsmangel und nicht von einem dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf ausgehen. Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel wiederum kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Dieses aus der Kurzarbeit folgende Indiz kann der Arbeitgeber durch konkreten Sachvortrag entkräften (BAG 26. Juni 1997 – 2 AZR 494/96 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 86 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 93). Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer aufgrund später eingetretener weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher und/oder organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer, so kann trotz der Kurzarbeit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung bestehen (BAG 26. Juni 1997 – 2 AZR 494/96 – aaO). (…)"

Eine Frage hat das Bundesarbeitsgericht damals leider offengelassen und die lautet: Kann der Arbeitgeber verpflichtet werden, Kurzarbeit einzuführen?
Wir meinen nein, da die Einführung von Kurzarbeit gerade voraussetzt, dass es sich nur um einen vorübergehenden Auftragsmangel handelt.

In der Corona-Krise hat diese Frage für die meisten Unternehmen allerdings ohnehin keine Bedeutung, da sie fast alle erstmal in die Kurzarbeit „geflüchtet“ sind und infolgedessen darlegen müssen, dass nach Einführung der Kurzarbeit Umstände eingetreten sind, die zu einem dauerhaften Beschäftigungsrückgang führen, der durch die Kurzarbeit nicht mehr aufgefangen werden kann.
 
Die erste Herausforderung besteht also darin, zu erklären, was sich seit Einführung der Kurzarbeit geändert bzw. dazu geführt hat, dass nunmehr von einem dauerhaften Wegfall von Arbeit auszugehen ist.
 
Wenn der Kündigungsgrund Auftragsrückgang heißt, besteht die zweite Herausforderung darin, eine Begründung zu finden, wonach der Auftragsrückgang ein dauerhafter sein wird, wobei für Ihre Prognose der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung entscheidet.
 
Solche Gründe können z. B. sein: 

  • Stammkunden sind bereits insolvent oder haben ihren Geschäftsbetrieb aufgrund der Krise nicht nur vorübergehend still gelegt. 
  • Kunden, die über Jahre hinweg einen bestimmten stabilen Beschäftigungsbedarf generiert haben, kündigen das Vertragsverhältnis und Ersatzaufträge sind nicht in Sicht.

Wichtig ist es gleichzeitig, den Arbeitnehmer und im Streitfall auch ein Arbeitsgericht davon zu überzeugen, dass der Arbeitgeber die dauerhaft verloren gegangenen Kunden o.ä. nicht durch andere Aufträge kompensieren kann.

 

 

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