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Können Urlaubsansprüche und Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren? -  Bundesarbeitsgericht ruft den Europäischen Gerichtshof an!

Seitdem Urlaubsansprüche nicht mehr verfallen können, wenn Sie als Arbeitgeber Ihre Initiativlast nicht erfüllt haben, ist folgende Frage in den Vordergrund gerückt:
 
Können Urlaubsansprüche wenigstens verjähren, wenn der Arbeitgeber seiner Initiativlast nicht nachgekommen ist?
 
Diese Frage treibt die betriebliche Praxis aktuell vor allem deshalb um, weil die neue Initiativlast von Arbeitgebern bei der Urlaubsgewährung auch für zurückliegende Jahre gilt.

Zur Erinnerung:

Per Urteil vom 19.02.2019 (Az.: 9 AZR 423/16) hat das Bundesarbeitsgericht erstmals entschieden: Der Urlaub verfällt gemäß § 7 Absatz 3 des Bundesurlaubgesetzes nur noch, wenn Sie als Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig über den Umfang seines Urlaubs informiert und auf dessen möglichen Verfall zum 31.12. hingewiesen haben. Kann der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen bis zum 31.12. nicht in Anspruch genommen werden, müssen Sie den Arbeitnehmer zu Beginn des neuen Jahres ein weiteres Mal über den Verfall der Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr per 31.03. informieren.
 
Die Information muss laut Bundesarbeitsgericht konkret und „in völliger Transparenz“ erfolgen. Sie muss nach Aussage des Bundesarbeitsgericht Folgendes abdecken: 

  • Information über die Anzahl der dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubstage im Urlaubs- bzw. Kalenderjahr. 
    Achtung: Wenn es noch Resturlaub aus den Vorjahren gibt, in denen Sie Ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sind, müssen Sie auch Resturlaub aus den Vorjahren in Ihre Informationspflicht mit einbeziehen. 
  • Aufforderung, den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des Urlaubsjahres genommen werden kann.
  • Hinweis, dass der Urlaub ersatzlos verfallen wird, wenn er nicht bis zum 31.12. oder in den eingangs beschriebenen „Übertragungsfällen“ bis zum 31.03. genommen wird.

Das Problem:
 
Vor der Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019 haben die meisten Arbeitgeber das alles nicht getan.
Dies wiederum hatte und hat immer noch zur Folge, dass (auch ausgeschiedene) Arbeitnehmer ihre Resturlaube aus den Vorjahren geltend machen können.
 
Die Frage ist nur, wie lange die Arbeitnehmer mit der Verfolgung ihres Resturlaubs zurückgehen dürfen?
 
Die Antwort auf die Frage hängt davon ab, ob Urlaubsansprüche verjähren können.
 
Wäre dies der Fall, wären Resturlaube, die älter als 3 Jahre sind, weg.
Aber Achtung: Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist beginnt erst am Ende des Kalenderjahres. Bis Ende 2020 könnten also noch Urlaubsansprüche bis hin zum Jahr 2017 verfolgt werden.
 
Leider hat das Bundesarbeitsgericht diese Frage in seiner Entscheidung vom 29.09.2020 [Az.: 9 AZR 266/20 (A)] nicht entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage vielmehr dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
 
Wie der Europäische Gerichtshof entscheiden wird, ist ungewiss.
Über restliche Urlaubsansprüche, die verjährt sein könnten, sollten Sie mit Rücksicht auf das noch ausstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofs daher erstmal nicht entscheiden.
 
Einen kleinen Lichtblick gibt es im Hinblick auf Arbeitnehmer, die schon lange ausgeschieden sind und jetzt noch die finanzielle Urlaubsabgeltung für Resturlaube aus dem früheren Arbeitsverhältnis verlangen. Der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig gewordene Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt nach bisheriger Rechtsprechung nämlich sowohl den arbeits- als auch tarifvertraglichen Ausschlussfristen als auch der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist.
 
Dass Urlaubsabgeltungsansprüche verjähren können, hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom 13.05.2020 (Az.: 7 Sa 169/19) entschieden. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Absolute Rechtsicherheit gibt es daher auch in diesem Punkt noch nicht.
 
Wir werden weiter berichten.
 

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