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Neues Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts zu gleichgestellten Arbeitnehmern

Nach § 178 Absatz 2 Satz 1 SGB IX müssen Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen oder eine Gruppe von schwerbehinderten Menschen betreffen, unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören. § 178 Absatz 2 Satz 1 SGB IX ist also eine Art „Allzuständigkeit“ der Schwerbehindertenvertretung, die sich auf Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen, disziplinarische Maßnahmen (wie Er- oder Abmahnungen) und vieles andere mehr bezieht.
 
Diese „Allzuständigkeit“ der Schwerbehindertenvertretung betrifft schwerbehinderte sowie gleichgestellte Arbeitnehmer (vgl. § 151 Abs.1 SGB IX).

Aber ab wann gilt die Gleichstellung?
 
Auf diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht in seinem gerade im Volltext veröffentlichten Beschluss vom 22.01.2020 (Az.: 7 ABR 18/18) folgende grundsätzliche Antwort gegeben:
 
Eine Gleichstellung besteht erst ab dem Zeitpunkt, ab dem auch der Gleichstellungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vorliegt.
 
Begründung des Bundesarbeitsgerichts: Anders als bei schwerbehinderten Menschen, bei denen der Anerkennungsbescheid nur einen bestehenden Zustand feststellt, wirkt der Gleichstellungsbescheid konstitutiv; das heißt, dass der Gleichstellungsbescheid Rechte erst begründet. § 151 Absatz 2 Satz 2 SGB IX steht dem nicht entgegen: Zwar wird die Gleichstellung hiernach schon mit dem Eingang des Antrags wirksam; diese Rückwirkung wird allerdings erst durch einen positiven Gleichstellungsbescheid begründet.
 
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erleichtert die Arbeit von Personalern daher enorm: Sie müssen die Rechte der Schwerbehindertenvertretung jetzt erst wahren, wenn ein positiver Gleichstellungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vorliegt. Die Zeiten, in denen die Schwerbehindertenvertretung, sei es auch nur vorsorglich, eingebunden wurde, wenn man Kenntnis von einem noch laufenden Gleichstellungsverfahren hatte, sind also vorbei. In solchen Fällen ist es allerdings sinnvoll, den Arbeitnehmer zu fragen, ob schon ein Gleichstellungsbescheid vorliegt.
 
Und nicht nur das:
Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass der Grundsatz, dass es auf den Gleichstellungsbescheid ankommt, mit einer Ausnahme für alle Regelungen des dritten Teils des SGB IX gilt, die nach § 151 Absatz 1 SGB IX auch auf gleichgestellte Menschen anwendbar sind.
 
Ausnahme hiervon ist die Kündigung. Bei der Kündigung hat der Gesetzgeber den Sonderkündigungsschutz vorverlegt. So ergibt sich aus § 173 Absatz 3 SGB IX, dass die Zustimmung des Integrationsamtes bereits dann einzuholen ist, wenn die Stellung des Antrags auf Anerkennung einer Gleichstellung mindestens 3 Wochen zurückliegt. Für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung kann unseres Erachtens nichts anderes gelten, auch wenn das Bundesarbeitsgericht das nicht entscheiden musste (weil es in dem entschiedenen Fall um keine Kündigung, sondern eine Umsetzung eines gleichgestellten Arbeitnehmers ging).
Bei einer Kündigung sollten Sie daher nicht auf den Gleichstellungsbescheid warten. Sonst riskieren Sie nach § 178 Absatz 2 Satz 3 SGB IX die Unwirksamkeit der Kündigung allein wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Die Kündigung ist nämlich der einzige Fall, in dem die nicht ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zur Unwirksamkeit der Maßnahme, sprich der Kündigung, führt.

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