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Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede mit dem Betriebsrat?
In Pandemiezeiten eine gute Frage, zu der das Bundesarbeitsgericht ein neues Grundsatzurteil gefällt hat

Bei vielen Maßnahmen, die Unternehmen in Corona-Zeiten umsetzen müssen (z.B. der Einführung von Kurzarbeit, der Durchführung von Betriebsurlaub, etc.) hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes. Um das Mitbestimmungsrecht von Betriebsräten nach § 87 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes zu wahren, haben Arbeitgeber zwei Möglichkeiten:

Möglichkeit 1 ist die schriftlich abzuschließende Betriebsvereinbarung, die in § 77 des Betriebsverfassungsgesetzes geregelt ist.

Möglichkeit 2 ist die formlose Regelungsabrede, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt.

Ob Sie mit dem Betriebsrat eine schriftliche Betriebsvereinbarung oder nur eine formlose Regelungsabrede schließen, will gut überlegt sein:

Betriebsvereinbarungen wirken gegenüber den Arbeitnehmern unmittelbar und zwingend, § 77 Absatz 4 des Betriebsverfassungsgesetzes.

Regelungsabreden schlagen demgegenüber nicht unmittelbar auf das Verhältnis Arbeitgeber / Arbeitnehmer durch. Regelungsabreden müssen Arbeitgeber also durch gesonderte Maßnahmen gegenüber den hiervon betroffenen Arbeitnehmern umsetzen. Solche Maßnahmen sind: Der Abschluss einer Änderungsvereinbarung oder eine Weisung an die Arbeitnehmer.
Ob Sie eine Änderungsvereinbarung oder eine Weisung machen müssen, hängt davon ab: Sind die Maßnahmen, die Sie per formloser Regelungsabrede mit dem Betriebsrat vereinbart haben, von Ihrem Weisungsrecht gedeckt, reicht eine Weisung. Sind sie es nicht, müssen Sie eine Änderungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer abschließen.

Ein gutes Beispiel in der Corona-Krise ist die Kurzarbeit. Gibt es über die Kurzarbeit eine schriftliche Betriebsvereinbarung, reicht das.
Gibt es über die Kurzarbeit nur eine formlose Regelungsabrede, müssen Sie zusätzlich das Einverständnis der Arbeitnehmer zu der Kurzarbeit einholen; eine schlichte Weisung gegenüber den Arbeitnehmern reicht hier nicht, da der Arbeitnehmer ja einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine bestimmte Arbeitszeit hat, von der Sie nunmehr abweichen möchten.

Zwischenfazit: Von formlosen Regelungsabreden sollten Sie die Finger lassen, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die Sie per Änderungsvereinbarung mit jedem einzelnen Arbeitnehmer umsetzen müssten.
Über formlose Regelungsabreden sollten Sie also immer dann nachdenken, wenn es sich um mit dem Betriebsrat vereinbarte Maßnahmen handelt, die von Ihrem Weisungsrecht gedeckt sind.

Aber was ist, wenn eine Betriebsvereinbarung oder eine Regelungsabrede gekündigt wird?
Für die Betriebsvereinbarung ergibt sich die Antwort aus § 77 Absatz 6 des Betriebsverfassungsgesetzes: Betriebsvereinbarungen wirken bis zum Abschluss einer neuen Regelung mit dem Betriebsrat nach (sogenannte Nachwirkung). Diese Nachwirkung gilt von Gesetzes wegen allerdings nur für Betriebsvereinbarungen mit Inhalten, bei denen der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat. Oder anders ausgedrückt: Für freiwillige Betriebsvereinbarungen (also Betriebsvereinbarungen über Inhalte, bei denen der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht hat), gibt es keine gesetzliche Nachwirkung, was im Übrigen auch der Grund dafür ist, warum in vielen freiwilligen Betriebsvereinbarungen eine Nachwirkung vereinbart wird.

Was nach der Kündigung mit einer Regelungsabrede passiert, war bislang sehr umstritten.
Durch seinen kürzlich veröffentlichen Beschluss vom 13.08.2019 (Az.: 1 ABR 10/18) hat das Bundesarbeitsgericht in dieser Frage jetzt für Klarheit gesorgt:

Regelungsabreden können nach ihrer Kündigung nicht nachwirken.
Die Weisungen oder Änderungsvereinbarungen, mit denen Sie als Arbeitgeber die in der Regelungsabrede verabschiedeten Maßnahmen umgesetzt haben, haben laut Bundesarbeitsgericht aber nach wie vor Bestand. Einen regelungslosen Zustand kann es in Folge der Kündigung einer Regelungsabrede also nicht geben.

Und was ist mit den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats? Hierzu sagt das Bundesarbeitsgericht:
"Auch zur Wahrung oder Sicherstellung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bedarf es keiner Nachwirkung einer beendeten Regelungsabrede. Dem Arbeitgeber obliegt es in diesem Fall, sich um eine neue Einigung mit dem Betriebsrat - erforderlichenfalls mit Hilfe der Einigungsstelle - in der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit zu bemühen. Dem Betriebsrat seinerseits steht im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung ein Initiativrecht und für den Fall, dass der Arbeitgeber sich mitbestimmungswidrig verhält, die Möglichkeit zu, die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung über § 23 Abs. 3 BetrVG oder mit Hilfe des allgemeinen Unterlassungsanspruchs sicherzustellen."

Fazit: Regelungsabreden können dann eine sinnvolle Alternative sein, wenn es um Maßnahmen geht, die vom Weisungsrecht gedeckt sind. Erfahrungsgemäß lassen sich gerade bei nicht so umfangreichen Maßnahmen nämlich Regelungsabreden schneller mit dem Betriebsrat verhandeln als Betriebsvereinbarungen. Und eine schnelle Erledigung der Beteiligung des Betriebsrats ist in Pandemiezeiten Gold wert. Wird eine Regelungsabrede gekündigt, sollten Sie allerdings zügig wieder Gespräche mit dem Betriebsrat aufnehmen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass Sie sich mitbestimmungswidrig verhalten.

Wenn Sie Fragen dazu haben, sprechen Sie uns gerne an

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß          Carola Detmers

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