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Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts:
Wann dürfen Sie auf das Ergebnis einer Betriebsprüfung vertrauen?
Wann sind GmbH-Geschäftsführer (nicht) sozialversicherungspflichtig?

In seiner gerade veröffentlichten Entscheidung vom 19.09.2019 (Az.: B 12 R 25/18 R) hat das Bundessozialgericht zwei für die betriebliche Praxis sehr wichtige Fragen geklärt.

1. Wann dürfen Sie auf das Ergebnis einer Betriebsprüfung vertrauen?
Diese Frage hat das Bundessozialgericht wie folgt beantwortet:

  • Endet die Betriebsprüfung mit der Feststellung, dass die Prüfung keine Beanstandungen ergeben hat, können Arbeitgeber hieraus keine Rechte herleiten. Solche Feststellungen haben mit anderen Worten keine bindende Wirkung.
  • Das Ergebnis einer Betriebsprüfung hat nur insoweit bindende Wirkung, als dass durch Verwaltungsakt festgestellt wird, dass für bestimmte Personen für bestimmte Zeiträume Versicherungs- und/oder Beitragspflicht besteht.
    Die Mitteilung, dass die Betriebsprüfung ohne Beanstandungen geblieben ist, ist kein solcher Verwaltungsakt.
  • Der Sozialversicherungsträger hat (daher) die Pflicht, im Rahmen seiner Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu erlassen, § 28 p Absatz 1 Satz 5 SGB IV.
    Diesem Prüfauftrag wird der prüfende Rentenversicherungsträger (nur) gerecht, wenn die Betriebsprüfung durch einen Prüfbescheid, d.h. einen Verwaltungsakt, abgeschlossen wird.
    Der Abschluss durch ein mündliches Abschlussgespräch oder eine schriftliche Mitteilung, dass es keine Beanstandungen gegeben hat, genügt nicht.
    Daraus folgt: Gab es im Rahmen der Betriebsprüfung keine Beanstandungen, hat der prüfende Rentenversicherungsträger - O-Ton Bundessozialgericht - das Verfahren mit einer rechtswirksamen Feststellung zum (Nicht-)Bestehen von Versicherungs- oder Beitragspflicht in den stichprobenweise geprüften Auftragsverhältnissen und zum Ergebnis der geprüften Sachverhalte abzuschließen.
    Daraus folgt weiter und ganz allgemein: Das Ergebnis von Betriebsprüfungen ist künftig auch dann per Verwaltungsakt festzustellen, wenn es keine Beitragsnachforderungen gibt.
  • Der prüfende Rentenversicherungsträger entscheidet grundsätzlich selbst darüber, was Gegenstand der Betriebsprüfung ist. Dieses Ermessen des prüfenden Rentenversicherungsträgers ist in Bezug auf mitarbeitende Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter allerdings eingeschränkt. Dieser Personenkreis muss in die Prüfung einbezogen werden. Die Beschäftigungsverhältnisse dieser Personen müssen insbesondere dann geprüft werden, wenn der Arbeitgeber, weil er von einem nicht-sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgeht, kein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren nach § 7 a Absatz 1 Satz 2 SGB IV durchgeführt hat.
    Daraus folgt: Jedenfalls in den Fällen, in denen der sozialversicherungsrechtliche Status von Beschäftigten unklar ist, können Arbeitgeber den Gegenstand der Betriebsprüfung bestimmen und einen ihnen Rechtssicherheit gebenden Verwaltungsakt erzwingen.
     

2. Wann sind GmbH-Geschäftsführer (nicht) sozialversicherungspflichtig?
Die hierzu vom Bundessozialgericht getroffenen Feststellungen lauten:

  • GmbH-Geschäftsführer, die nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind, stehen grundsätzlich immer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.
    Aber Achtung: Arbeitsrechtlich sind solche Fremdgeschäftsführer keine Arbeitnehmer. Arbeitsrechtlich gilt nur dann etwas anderes, wenn es eine EU-Richtlinie gibt und die EU-Richtlinie auf den europäischen (und nicht den nationalen) Arbeitnehmerbegriff verweist. Denn nur EU-rechtlich sind deutsche GmbH-Fremdgeschäftsführer in der Regel Arbeitnehmer.
  • GmbH-Geschäftsführer, die mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital halten, sind dagegen nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
  • GmbH-Geschäftsführer, die exakt 50 % der Anteile am Stammkapital halten, sind ebenfalls nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
  • GmbH-Geschäftsführer, die weniger als 50 % der Anteile am Stammkapital halten, sind grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
    Etwas anderes gilt nur dann, wenn ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende Sperrminorität eingeräumt ist, die die gesamte Unternehmenstätigkeit umfasst. Ein GmbH-Geschäftsführer, der beispielsweise 30 % der Anteile am Stammkapital hält und kraft Gesetzes bloß Entscheidungen verhindern kann, die nach dem GmbH-Gesetz einer Dreiviertelmehrheit bedürfen, ist daher sozialversicherungspflichtig.

Daraus folgt ganz allgemein: Eine selbständige, nicht sozialversicherungspflichtige Tätigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern liegt nur dann vor, wenn der Geschäftsführer eine rechtliche Einflussmöglichkeit auf Gesellschafterbeschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung an die Geschäftsführer hat.
Eine bloß tatsächliche Einflussmöglichkeit, wie sie insbesondere häufig in Familiengesellschaften anzutreffen ist, reicht nicht mehr. Die frühere "Kopf- und Seele"- Rechtsprechung, von der sich das Bundessozialgericht schon in früheren Urteilen sukzessive verabschiedet hatte, ist damit endgültig vom Tisch.

GmbH-Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung können folglich lediglich dann sozialversicherungsfrei beschäftigt werden, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Regelung enthält, nach der die Minderheitsbeteiligung dieses Gesellschafters ausreicht, jedwede Entscheidungen der Gesellschafterversammlungen (auch die der Geschäftsführung erteilten Weisungen) zu beeinflussen.

Arbeitgeber, die auf die frühere "Kopf- und Seele"-Rechtsprechung vertraut haben, können sich - und jetzt schließt sich der Kreis zu Ziffer 1. - für die Vergangenheit nur dann auf das Ergebnis einer Betriebsprüfung berufen, wenn im Rahmen dieser Betriebsprüfung per Verwaltungsakt (siehe oben) festgestellt wurde, dass kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis für diesen Geschäftsführer bestand.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, rufen Sie uns bitte an.

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

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