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Dürfen Sie kündigen, wenn Sie dem "Whistleblower" Vertraulichkeit zugesagt haben?

In vielen Unternehmen existieren Regelungen, nach denen Arbeitnehmern, die sich über andere Kollegen beschweren, Vertraulichkeit zugesichert wird.
Wenn sich aufgrund einer Beschwerde ein Kündigungsgrund bezogen auf einen anderen Arbeitnehmer ergibt, stehen diese Unternehmen vor der Frage, wie sie mit der versprochenen Vertraulichkeit umgehen müssen.

Die Frage ist umso drängender, wenn es um eine fristlose Kündigung geht. Denn bei der fristlosen Kündigung müssen Sie als Arbeitgeber ja die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches wahren.
Geht es (auch) um eine Verdachtskündigung, müssen Sie den beschuldigten Arbeitnehmer obendrein schon innerhalb einer Woche nach Kenntnis von den Verdachtsmomenten anhören.
Zwingend erforderlich für die Bewertung der Situation ist natürlich die Rückmeldung des "Whistleblowers" dazu, ob Sie im Falle einer Konfrontation mit dem Kollegen auf ihn zählen können. Diese zusätzliche Rücksprache verzögert die Ermittlungen vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung, so dass die ohnehin schon kurze Frist zum Problem werden kann.

Auch das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner gerade veröffentlichten Entscheidung vom 27.06.2019 (Az.: 2 ABR 2/19) mit der Frage befasst, wie sich die zugesicherte Vertraulichkeit auf den Lauf dieser Fristen auswirkt und die folgenden Antworten gegeben:

  • Ist vertrauliche Behandlung vereinbart, halten Sie die für fristlose Kündigungen maßgebliche Zwei-Wochen-Frist nur ein, wenn Sie dem Arbeitnehmer, der sich Ihnen anvertraut, eine angemessen kurze Frist setzen, in der er sich über die Beibehaltung der Vertraulichkeit äußern muss.
    Tun Sie das nicht, führen Sie die Ermittlungen nicht mit der nach § 626 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Eile durch.
     
  • Auf das Setzen einer kurzen Frist können Sie nach der Entscheidung nur dann verzichten, wenn dies aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitnehmer, der Ihnen Mitteilung macht, geboten ist. Einen solchen Ausnahmefall hat das Bundesarbeitsgericht im entschiedenen Fall bejaht, da die betroffene Arbeitnehmerin aufgrund des dem Arbeitgeber mitgeteilten Vorfalls erkrankt war. Selbst in einem solchen Ausnahmefall dürfen Sie laut Bundesarbeitsgericht aber nicht beliebig lange zuwarten. Ein Zuwarten von drei Wochen ist nach der Entscheidung in solchen Ausnahmefällen aber noch unschädlich.
     
  • Sie müssen unabhängig davon außerdem immer prüfen, ob der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit hat. Wenn es um Vorwürfe geht, die eine konkrete Gefährdung anderer Arbeitnehmer zur Folge hat, wird es laut Bundesarbeitsgericht in aller Regel auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers an der vertraulichen Behandlung fehlen.
     
  • Unabhängig von diesen Erwägungen ändert die Verschwiegenheitspflicht, der Sie sich ggfs. unterworfen haben, nichts an der Verpflichtung des Mitarbeiters, als Zeuge vor Gericht auszusagen. Das gilt in den Fällen, in denen eine konkrete Gefährdung anderer Mitarbeiter besteht, ebenso wie in "Bagatellfällen". Notfalls könnten Sie die Kündigung also auch aussprechen, ohne mit dem "Whistleblower" Rücksprache gehalten zu haben. Beliebt machen Sie sich damit aber natürlich nicht, zumindest eine kurze Vorwarnung sollten Sie daher in Betracht ziehen.

Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an. 


Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .