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Bundesarbeitsgericht neu: Dürfen Arbeitnehmer auf ihr Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang verzichten?

Bei einem Betriebsübergang möchten die beteiligten Unternehmen schnell Rechtssicherheit. Sie möchten schnellstmöglich wissen, ob die Arbeitnehmer beim Käufer bleiben oder per Widerspruch an den Verkäufer zurückfallen.

Nach dem Gesetz können Unternehmen diese Rechtssicherheit theoretisch dadurch erlangen, dass sie die betroffenen Arbeitnehmer rechtzeitig gemäß § 613a Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches über Inhalt und Folgen des Betriebsübergangs informieren.

Denn dann haben die betroffenen Arbeitnehmer nur einen Monat lang Zeit, dem Betriebsübergang zu widersprechen.

Das Problem: In vielen Konstellationen ist es nahezu unmöglich, die Mitarbeiter ordnungsgemäß zu informieren. Die Anforderungen an die ordnungsgemäße Information der Arbeitnehmer sind mittlerweile von der Rechtsprechung so hochgeschraubt worden, dass sie kaum mehr erfüllt werden können. Hinzu kommt, dass es Konstellationen gibt, in denen gar nicht mehr nachvollziehbar ist, wie lange beispielsweise eine Tarifbindung des Käufers bzw. seines Vorgängers bestand usw.

In dieser Not möchten viele Unternehmen die Rechtssicherheit gerne dadurch herstellen, dass sie die Arbeitnehmer (einhergehend mit einer möglicherweise nicht ordnungsgemäßen Information) auf ihr Widerspruchsrecht verzichten lassen.

Ob und unter welchen Voraussetzungen das möglich ist, ist bislang ungeklärt und ziemlich umstritten.

In seinem kürzlich im Volltext veröffentlichten Urteil vom 28.02.2019 (Az: 8 AZR 201/18) hat das Bundesarbeitsgericht zumindest eine Teilfrage in diesem Zusammenhang geklärt.
Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich gesagt, dass sich der Arbeitnehmer in einer solchen Verzichtserklärung klar und eindeutig für einen unbefristeten Verzicht auf sein Widerspruchsrecht aussprechen müsse.

Und genau daran hat es dem Bundesarbeitsgericht in der von ihm entschiedenen Verzichtserklärung gefehlt. Konkret monierte das Bundesarbeitsgericht, dass die Erklärung kein unbefristeter, sondern ein bloß befristeter Verzicht gewesen sei.

Da die Verzichtserklärung, über die das Bundesarbeitsgericht entscheiden musste, nach unserer Erfahrung häufiger verwendet wird, hier der Wortlaut der Verzichtserklärung, die nicht genügt:

"Folge des Betriebsüberganges für Sie ist damit der Wechsel des Arbeitgebers. An den Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ändert sich nichts. Wir bitten Sie daher, Ihre Tätigkeit wie auch in der Vergangenheit bei Ihrem neuen Arbeitgeber fortzusetzen. Sofern Sie sich für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses entscheiden, bitten wir Sie Ihr Einverständnis auf der beigefügten Erklärung bis zum 15.8.2015 schriftlich zu erklären. Sollte bis zu dem Zeitpunkt eine ausdrückliche Erklärung nicht vorliegen, gehen wir von Ihrem stillschweigenden Einverständnis mit dem Betriebsübergang aus. Ihnen steht es frei, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Bitte beachten Sie, dass der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Unterrichtung schriftlich zu erfolgen hat. Der Widerspruch kann sowohl gegenüber uns oder dem Dienstleistungsunternehmen erklärt werden. Bitte beachten Sie aber, dass im Falle eines Widerspruchs die Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses drohen kann, da aufgrund des Betriebsübergangs Ihr bisheriger Arbeitsplatz ersatzlos wegfällt und gegebenenfalls eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit nicht existiert."

Um die formalen Anforderungen an eine Verzichtserklärung zu erfüllen, muss aus der Verzichtserklärung fortan viel klarer als aus der gerade zitierten Erklärung hervorgehen, dass der Arbeitnehmer endgültig auf das Recht verzichtet, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.

Idealerweise sollten Informationen über den Verzicht auch nicht bereits im Informationsschreiben, sondern in einer getrennten Erklärung, die durchaus mit dem Informationsschreiben ausgeteilt werden kann, enthalten sein.

Ob Sie damit dann wirkliche Rechtssicherheit bekommen, steht leider noch nicht fest. Da im entschiedenen Fall schon die formellen Voraussetzungen für eine Verzichtserklärung fehlten, ließ das Bundesarbeitsgericht die inhaltlichen Voraussetzungen für einen wirksamen Verzicht nämlich leider offen.

Offen ist daher nach wie vor, ob ein wirksamer Verzicht ein ordnungsgemäßes Informationsschreiben voraussetzt, ob ein Verzicht nur gegen Gegenleistung möglich ist, etc.

Hier werden Sie also weiterhin mit einer Rechtsunsicherheit leben müssen.

Es ist aber sicherlich schon mal ein Anfang, dass Sie wissen, wie ein Verzicht formal aussehen muss, damit er überhaupt wirksam sein kann.

Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an. 


Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .