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Betriebliches Eingliederungsmanagement auch bei Erwerbsminderungsrente 

Etliche Arbeits- und Tarifverträge sehen eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, wenn dem Arbeitnehmer eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zugesprochen wurde. Eine solche Regelung, die juristisch eine auflösende Bedingung ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch grundsätzlich zulässig, wenn bestimmte „Formalien“ berücksichtigt werden.

In dem gerade veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17.04.2019 (Az.: 7 AZR 292/17) hat das Bundesarbeitsgericht für den Beendigungsgrund namens unbefristete Erwerbsminderungsrente nun aber zwei wichtige inhaltliche Einschränkungen gemacht:
 
Erste Einschränkung
Die erste inhaltliche Änderung ist, dass das Bundesarbeitsgericht das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) jetzt auch vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung verlangt.
Führt der Arbeitgeber kein BEM durch, trifft ihn wie bei einer krankheitsbedingten Kündigung eine gesteigerte Darlegungslast, wenn es um die Frage geht, ob der Arbeitnehmer auf einem anderen freien und leidensgerechten Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden kann.
 
Gesteigerte Darlegungslast heißt, dass der Arbeitgeber ohne BEM von sich aus alle denkbaren oder vom Arbeitnehmer aufgezeigten leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten würdigen und in einer gerichtlichen Auseinandersetzung ausführlich darlegen muss, warum sie nicht in Betracht kommen.
Eine Verschärfung ist das deshalb, weil es vor dieser Rechtsprechung so war, dass es primär Sache des Arbeitnehmers war, vorzutragen, wie er sich eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.
 
Zweite Einschränkung
Die zweite inhaltliche Änderung hängt mit der gerade beschriebenen zusammen. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich außerdem gesagt, dass die auflösende Bedingung namens unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gesetzeskonform dahingehend ausgelegt werden muss, dass die Beendigung nur eintritt, wenn es für den Arbeitnehmer keine leidensgerechte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz gibt. Einzige Erleichterung für den Arbeitgeber: Der Arbeitnehmer muss sein Interesse an der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz gegenüber dem Arbeitgeber kundtun, und zwar bevor ihm der Rentenbescheid zugestellt wird (oder zu einem anderen, in einem Tarifvertrag genannten Zeitpunkt).
 
Daraus folgt: Wenn Ihr Arbeits- oder Tarifvertrag eine auflösende Bedingung namens unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung enthält, werden Sie fortan ein BEM machen müssen, wenn der Arbeitnehmer rechtzeitig seine Weiterbeschäftigung verlangt.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, melden Sie sich bitte.

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .